Nordirland: Gärten und Giganten

(c) Renate Scheiper
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Landschaftlich hochdramatisch: die Causeway Coastal Route in Nordirland. Am besten verbindet man sie mit dem Antrim Garden Trail und dem Besuch von Gärten und Schlössern.

Die illustre Party in Dunluce Castle fällt aus. Mit gewaltigem Getöse bricht während der Vorbereitungen zum festlichen Dinner der gesamte Küchenkomplex tief hinab in den Nordatlantik. „Ohne Essen keine Party“, sagt lakonisch Guide Claire. „Warum haben sie auch so dicht am Abgrund gebaut“, wundert sich eine Dame aus Wiener Neustadt, noch ganz erschüttert von der Katastrophe. Zwar liegt das dramatische Ereignis einige Jahrhunderte zurück. Doch erzählt wird es Touristen mit allen gruseligen Details immer noch gern, wenn sie an der dramatisch steilen Küste Nordirlands zwischen Bushmills und Portstewart stehen und mit Schaudern die immer noch stattlichen Ruinen, eines der Sets von „Game of Thrones“, betrachten. So etwas kann heute in keinem der Castles und Herrenhäuser mit ihren zauberhaften Schlossparks und Gärten passieren, die man auf einer mehrtägigen Reise durch die saftig grüne Landschaft Nordirlands bewundern kann – nicht einmal im Causeway Hotel an der Nordküste, das hoch über den Basaltklippen, aber auf sicherem Grund errichtet wurde. Vom Hotel aus geht es bequem zwei Kilometer bergab, bevor man sich im Staunen über die Meisterin Natur vergisst: Als hätte jemand versucht, unendlich viele sechseckige Orgelpfeifen verschiedener Größe fantasievoll anzuordnen. Manche hat die Brandung des Ozeans schon zu einer Art niedriger Pflastersteine abgefeilt.

Dramatische Topografie. Für Mutige und Schwindelfreie führt oben vom Hotel ein schmaler Pfad zwischen bunten Wiesenblumen immer hart am Steilhang entlang, in deren Felsnischen Alken brüten. Manchmal bildet ein grasendes, dickwolliges Schaf ein Hindernis. Zum Ausweichen ist kein Platz. Plötzlich hält das Wolltier im Kauen inne und glotzt völlig regungslos den zweibeinigen Störenfried bedrohlich starr an. Doch ebenso plötzlich gibt es den Weg frei und flüchtet den grünen Steilhang abwärts. Der grandiose Blick vom kilometerlangen, windungsreichen Pfad über das Meer und die Steilküste lohnt den Spaziergang.

Von hier ist es nicht mehr weit bis zum Ende der
Causeway Costal Route, die sich über knapp 200 Kilometer entlang der Küste vom Belfast Lough an der Irischen See bis zum Lough Foyle am Atlantik erstreckt. Neben seiner dramatischen Topografie ist dieser westliche Teil der Nordküste ein Dorado für Golf-Fans: Neun- und 18-Loch-Plätze reihen sich aneinander, die Chance, dass ein zu hart geschlagener Ball mit gutem Rückenwind im Atlantik landet, ist groß. Die Küstenroute ist gut zu kombinieren mit dem sich durch das Land ziehenden Themenweg namens Antrim Garden Trail.

In würdevoller Ruhe stehen die Anwesen der Gartenroute, ob groß oder klein, in grünen Paradiesen, meist flankiert von mächtigen, uralten Bäumen. Eine wahre Flut üppig bunter, oft unbekannter Blumen und Sträucher begeistert in den Gärten. Wie im bezaubernden Beaulieu House bei Drogheda, nördlich von Dublin, auf dessen gepflegtem Rasen es sich wie auf einem flauschigen Teppich wandelt.

Ja, er darf betreten werden. In der Ferne grasen auf dem leicht zum Fluss Boyne abfallenden Gelände Pferde, die Reitfans zur Verfügung stehen. Cara Konig-Brock, die charmante Dame des Hauses, begrüßt die Gäste in der beeindruckend großen und hohen Empfangshalle mit unzähligen Porträts der Ahnen. Über Kamin und Familienwappen prangt das stattliche, 10.000 Jahre alte Geweih eines ausgestorbenen Riesenhirschs, von einem der Urahnen im nahen Moor gefunden. Der fast schwarze 16-Ender lässt nicht nur das Herz passionierter Jäger höherschlagen.

Ein Pferd in der Tür. Bereits 1720, erzählt Hausherrin Cara, sei mit Feigen- und Nektarinenbäumchen die Grundlage des heutigen Gartens gelegt worden. Das Besondere am Beaulieu House & Garden: Als Bed and Breakfast werden drei entzückende, „old fashioned“ Zimmer vermietet. Die Frühstückskarte ist beeindruckend. Es ist ein erhebendes Erlebnis, so hochherrschaftlich in absoluter Ruhe zu schlafen, in riesigen Betten, und im tanzsaalgroßen Bad mit Blick auf den Park zu duschen.

Persönlich führt Cara auch durch den terrassenförmig angelegten Blumengarten mit seltenen Pflanzen wie dem strauchartigen Schneeglöckchenbaum, dessen kleine weiße Blüten wie Glöckchen herabhängen, dem Roten Laternenbaum und der wundersamen Violetten Wachsblume (Cerinthe). Der einzige Pferdefuß in dem beeindruckenden Anwesen: Als Türstopper von der Halle zum gemütlichen Kaminraum, der auch von den B&B-Gästen benutzt werden darf, dient ein gerahmter Pferdehuf. Es sei ein Andenken an das Lieblingspferd eines ihrer Vorfahren, erklärt Frau Cara etwas verlegen.

Wieder on the road, fallen am Straßenrand als Weg- und Feldbegrenzungen überall üppige Weißdornhecken (Crategus) auf, aber auch in den Gärten und Parks. „Brechen Sie ja kein Zweigerl ab! Das bringt Unglück“, warnt Sir Hugh Mont-gomery, wenn er seine Gäste durch den 200 Hektar großen Märchenpark Benvarden Garden mit riesigen Rasenflächen und uralten Bäumen führt. „In den Blüten leben die Elfen. Oja, auch heute noch!“ Daran hält sich jeder Nordire – auch die Bauern pflügen vorsichtig um jeden Weißdornbusch herum.

Die Montgomerys erwarben das riesige Anwesen bereits 1794. „Damals arbeiteten hier 200 Gärtner“, lacht Sir Hugh und ergänzt. „Ohne Maschinen. Und keiner vergriff sich je am Weißdorn!“ Entsprechend baumhoch und weit ausladend sind die Weißdornbüsche, die überall im Weg stehen.

In der parkähnlichen Anlage von Bellyrobert Gardens nordwestlich von Belfast werden Pflanzen auch zum Verkauf gezüchtet. In dem idyllischen Garten, durch den ein mit Blumenbeeten gesäumter Bach plätschert, beeindruckt besonders der buschartige Japanische Schneeball, der wie ein verschneiter Weihnachtsbaum aussieht. Nicht weit davon erhebt sich fast Ehrfurcht gebietend das Antrim Castle & Clotworthy House. Nur mit einer Führung gelingt es, in der ausgedehnten, symmetrisch gestalteten Anlage nicht verloren zu gehen.

Viel kleiner, aber nicht weniger zauberhaft ist Killineer House & Gardens nördlich von Dublin. Zu jedem der Gärten und Parks gehört ein abgegrenzter Nutzgarten mit Kräutern und Gemüsen aller Art. Man staunt über zarte Anispflanzen, deren Samen als Gewürz und in Schnäpsen Verwendung finden. Eine Kostprobe ergibt: Ja, Weihnachtsgeschmack. Im verwunschenen Garten ziehen Schwäne in einem See, der von einem munter glucksenden Bach gespeist wird, ihre Bahn und machen Jagd auf eine junge Entenfamilie. Auf der ruhigen Wasseroberfläche spiegelt sich die Farbenpracht der Blumen, Hecken und Bäume und das Weiß der filigranen Brücken.

Rhododendren und Azaleen. Kein Garten, kein Park gleicht dem anderen, viele sind mit kleinen Springbrunnen oder Teichen ausgestattet. Überall sind unbekannte Pflanzen zu entdecken, aber auch bei uns fast vergessene Blumen aus Großmutters Garten, etwa Akelei, Tränende Herzen und Pechnelken. Der Gartenfreund fühlt sich wie auf einem anderen Planeten. Schon die Fahrt auf schmalen verkehrsarmen Straßen in gemächlichem Tempo ist ein Genuss. In üppig saftig-grüner Landschaft grasen Schafe und großhornige, langhaarige Irland-Rinder, tiefe Ruhe liegt über der Landschaft. Und bald schwelgt das Auge wieder – in einem Meer üppig in allen Farben blühender Rhododendren und Azaleen oder von schweren Dolden gebeugten Goldregenbäumen. Vom Duft ganz zu schweigen.

Und was macht es schon, wenn es ab und zu einmal regnet? Die Wassertröpfchen frischen die Farben auf und verleihen den Pflanzen glitzernden Glanz. Und schon bald ist wieder die Sonne da. In Kilcoan Gardens zum Beispiel sind die reizenden, humorvollen Schwestern Cherry und Ilian gut vorbereitet: Während eines Regenschauers bewirten sie die Gäste mit köstlichem Selbstgebackenen. In einigen anderen Gärten kann man den legendären, kalorienreichen Afternoon Tea genießen – mit marmeladegefüllten Scones, goldgelbem Schlagobers und Sandwiches. Nur durch eine Straße getrennt liegt Bellygally Castle direkt an der Irischen See an einem breiten Strand. Durch den kleinen Park hinter dem Haus schlängelt sich ein Flüsschen und ergießt sich unter einem Torbogen ins Meer. Endlich: ein altes Schloss, in dem es noch spukt! Gern zeigt der Hausherr das gruselige „Gespenster“-Zimmer – vermietet es allerdings nicht.

Letzter Höhepunkt und Hauptattraktion im Botanischen Garten von Belfast ist das Palmenhaus, eine elegante, architektonisch interessante Konstruktion von 1839 aus gewölbtem Glas und Gusseisen – damals eine technische Weltsensation. Florale Sensationen erwarten den Besucher im warmen, sonnigen Glashaus, eine wahre Flut verschiedener Orchideenarten leuchtet in allen Farben. Lila, blutrot und variantenreich gemustert warten die Säcke der karnivoren Kannenpflanze (Nepenthes) auf fliegendes Futter: Mit ihren Aromen locken sie Insekten in ihre Trichter – der Deckel klappt zu, das Tier wird verdaut.

Nur Affen und Papgeien fehlen. Im benachbarten Tropical Ravine schlägt dem Besucher feucht-warme Tropenluft entgegen. Über hundert Jahre alt sind einige der Riesenfarne. Bromelien wachsen an Baumstämmen, Orchideen leuchten aus dem Grün der Blätter. Nur kreischende Affen, bunte Papageien und handgroße Schmetterlinge fehlen in diesem Dschungel exotischer Pflanzen, von denen Wassertropfen in kleine Tümpel platschen, dem Touristen indes perlen die Schweißtropfen über Wangen und Nasenspitze.

Sehenswert ist beim Haupteingang des Botanischen Gartens das mehrstöckige Ulster Museum. Unter anderem machen modernste Technologie und Filme nachvollziehbar, wie vor 60 Millionen Jahren durch Vulkanismus die Basaltklippen an der Nordküste entstanden: Feuer speiend verformte sich damals unsere Erdkugel. Nur an wenigen Stellen der Erde, etwa hier im Norden Nordirlands, kann man auf Zeugnissen dieses Abschnitts der Erdgeschichte einfach so herumklettern.

Tipps

Anreise: mit Aer Lingus von Wien nach Dublin oneway 95,99 € (bis 31. März), Gepäck kostet extra. Aer Lingus Wien, Argentinierstraße 2/4, 1040 Wien; 01/ 585 363040; www.aerlingus.com Nordirland-Gartenreisen buchbar etwa bei Kneissl Touristik. Causeway Costal Route:www.causewaycoastalroute.comAntrim Garden Trail:www.antrimgardens.com

Tipps: Beaulieu House & Gardens: B&B zwei Personen im DZ 150 Euro. www.beaulieu.ie. Causeway Hotel bei Bushmills bei den Basaltklippen Giants Causewa. www.thecausewayhotel.comwww.kilcoangardens.co.uk. Belfast Ulster Museum: Eintritt frei. www.nmni.com

Reiseführer DuMont Reisetaschenbuch „Irland“

Kneissl Touristik  Opernring 3–5, Eingang Operngasse, 1010 Wien, 01/408 0440, Ferienmesse-Stand: A0515, www. kneissltourisik.at

Irland Information –Tourism Ireland  Argentinierstraße 2–4, 1040 Wien, 01/581 892 270 . Ferienmesse-Stand: A1036

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