Homosexuelle und ihre Kinder: Wenn der Gesetzgeber aufgibt

Während die Regierung sich bei der Regelung für Managerbezüge voll ins Zeug gelegt hat, hat sie genau nichts getan, das Adoptionsrecht aktiv zu gestalten.

Trotz aller emotionaler Aufladung: Betrachtet man die neueste Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, nach der es homosexuellen Partnern erlaubt sein muss, gemeinsam ein Kind zu adoptieren, lohnt ein nüchterner Blick auf die rechtlichen Zusammenhänge. Und dieser zeigt: Es sind nicht die Höchstrichter, die in diesem gesellschaftspolitisch sensiblen Bereich die Macht an sich reißen, sondern es ist der Gesetzgeber, der ebendiese Macht aus der Hand gegeben hat.

Wiederholt hat das Parlament mit neuen, aber nicht zu Ende gedachten Gesetzen die Gerichte zum Handeln gezwungen. Und das geht so: Die Väter und Väter bzw. Mütter und Mütter, die nun paarweise guter Adoptionshoffnung sein können, sind derzeit diskriminiert. Denn vor gar nicht allzu langer Zeit hat der Gesetzgeber gleichgeschlechtlichen Partnern, deren Visavis ein leibliches Kind hat, erlaubt, dieses als Stiefkind zu adoptieren. Weil damit homosexuelle Paare prinzipiell als geeignete Eltern anerkannt wurden, tut man– und der Verfassungsgerichtshof – sich jetzt schwer mit einer Rechtfertigung, warum die gemeinsame Adoption eines Wahlkindes Ehepaaren vorbehalten sein soll.


Schon die Erlaubnis der Stiefkindadoption geschah nicht aus eigenem Antrieb. Vielmehr reagierte der Gesetzgeber damit auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser hatte vor knapp zwei Jahren entschieden, dass lesbischen Paaren die Stiefkindadoption nicht vorenthalten werden darf, wenn diese unverheirateten heterosexuellen Paaren sehr wohl offensteht. Denn die Ungleichbehandlung beruhte ausschließlich auf der sexuellen Orientierung, womit sie gegen die Menschenrechte verstieß.

Der Gerichtshof in Straßburg betonte damals, dass ebendiese Menschenrechte keineswegs dazu verpflichteten, unverheirateten Paaren die Adoption eines Kindes des jeweils anderen zu erlauben. Nur: Wenn der Gesetzgeber sich dazu entschließt, dann muss er es tun, ohne Menschen nur wegen ihrer sexuellen Orientierung anders zu behandeln.

Nur wegen ihrer sexuellen Orientierung? Wer nach der konsequenten, aber (zumindest von der ÖVP) nicht gewollten Liberalisierung ein Unbehagen verspürt, dass mehr und mehr Kinder mit zwei Mamas oder zwei Papas aufwachsen werden, muss zur Kenntnis nehmen: Es ist, auch nach den Erkenntnissen der Bioethikkommission, nicht erwiesen, dass Kinder mit gleichgeschlechtlichen Bezugspersonen zwangsläufig unter ungünstigeren Bedingungen aufwachsen als solche mit Mama und Papa oder – auch sie gibt es ja, nur mit Mama oder Papa. Ausschlaggebend ist, wie die Erwachsenen mit den Kindern umgehen. Und für die nötige Qualität der Beziehungen können Schwule und Lesben genauso gut sorgen wie Heteros, wie übrigens auch Fehler und ein Scheitern nicht auf eine sexuelle Ausrichtung beschränkt sind.


Worum es – abgesehen von der berechtigten Sorge um die Kinder – letztlich geht, ist der Schutz bestimmter Gruppen davor, vom Gesetzgeber unter gleichen Bedingungen anders behandelt zu werden. Auch die Minderheit der Homosexuellen darf nicht diskriminiert werden. Das müssen notfalls die Höchstgerichte gewährleisten, wenn es dem Gesetzgeber nicht gelingt, für diskriminierungsfreie Regeln zu sorgen.

Anders als bei den Managerbezügen, deren Absetzbarkeit die Koalition aus Geldknappheit beschränkt hat, unternahm die Regierung beim nun gekippten Adoptionsverbot genau nichts, um die geltende Regelung zu verteidigen: Sie teilte nur mit, „von der Erstattung einer Äußerung abzusehen“. Bei den Managerbezügen führte die Regierung hingegen so starke Argumente an, dass die Beschränkung vor dem Gerichtshof hielt.

Mit dem geplanten Fortpflanzungsmedizingesetz will die Koalition einem früheren Auftrag des Verfassungsgerichtshofs gerecht werden und Samenspenden für lesbische Paare ermöglichen. Für Schwule wird sie nicht möglich, und immerhin das wird wohl vor den Höchstgerichten halten: Denn dazu brauchte es die Beteiligung einer Leihmutter, die von anderer Qualität und Intensität als die eines Samenspenders ist.

E-Mails an: benedikt.kommenda@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2015)

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