Islamismus: Jüdische Schulen im Visier des IS

(c) REUTERS (YVES HERMAN)
  • Drucken

Der mutmaßliche Anführer einer belgischen IS-Terrorzelle wird in Griechenland oder der Türkei vermutet. Die Islamisten sollen mehrere Anschläge geplant haben.

Wien/Brüssel/Athen. Wo ist Abdelhamit A.? Belgien, Griechenland und auch das FBI suchen derzeit nach dem 27-jährigen Belgier mit marokkanischen Wurzeln, der als Anführer einer belgischen Terrorzelle gilt. A. soll sich vor geraumer Zeit dem Islamischen Staat (IS) angeschlossen haben. Er ist auf IS-Propagandavideos mit verstümmelten Leichen zu sehen, er soll unter anderem seinen erst 13-jährigen Bruder für den IS rekrutiert haben – und wie am Sonntag bekannt wurde, plante seine Zelle einen Angriff auf jüdische Schulen. Das Jüdische Museum in Brüssel sowie andere Institutionen und mehrere Straßenabschnitte in Antwerpen werden nun von Soldaten bewacht.

Seit der Aushebung der Terrorzelle im ostbelgischen Verviers am vergangenen Donnerstag – wobei zwei Verdächtige bei einem Schusswechsel getötet und rund ein Dutzend Personen festgenommen wurden – ist Belgien in erhöhter Alarmbereitschaft. Die Zelle plante demnach auch Mordanschläge auf Polizisten. Bei den Durchsuchungen wurden Waffen, Geld und Sprengstoff sichergestellt. A. ist seither flüchtig. Er könnte sich in der Türkei aufhalten (davon gehen die griechischen Behörden aus), oder bereits in Syrien. Medienberichten zufolge habe A. in den vergangenen Tagen auch Spuren in Griechenland hinterlassen, indem er etwa Kontakt zum Bruder des beim Einsatz in Verviers getöteten Verdächtigen hatte. Die belgische Polizei war daher alarmiert, als am Samstag vier mutmaßliche Islamisten in Athen festgenommen wurden.

Festnahmen könnten zusammenhängen

Nach Angaben der belgischen Ermittler könnten die Festnahmen nun entgegen ersten Aussagen vom Samstag doch in Zusammenhang mit der mutmaßlichen Terrorzelle im ostbelgischen Vervier stehen. Dies habe eine gründliche Prüfung aller Indizien ergeben, erklärte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Sonntag laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Belga. Es werde deshalb erwogen, in Athen die Auslieferung eines der beiden Festgenommenen zu beantragen.

Italien weist Extremisten aus

Der Kampfname von A. lautet Abu Omar Soussi und er dürfte bereits eine ausführliche Ausbildung in Syrien erhalten haben. Derzeit ist er die meistgesuchte Person Belgiens. Sein Vater soll allerdings angegeben haben, dass A. zwischenzeitlich in Syrien umgekommen sei. Bei der Razzia im Athener Viertel Pangrati hat die griechische Polizei einen 27-jährigen verhaftet, dessen Beschreibung eben auf A. gepasst hätte.

Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Verviers-Zelle mit den Anschlägen in Paris in Verbindung steht: Am 7. Jänner stürmten zwei Al-Qaida-Mitglieder, die Brüder Saïd und Chérif Kouachi, die Redaktionsräume des Pariser Satiremagazins „Charlie Hebdo“ und töteten elf Menschen; auf ihrer Flucht erschossen sie einen Polizisten. Eine Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt in Paris stand in Verbindung mit dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“. Der Angreifer tötete vier Geiseln.

Chérif Kouachi wurde am Wochenende in Genevilliers nahe Paris beigesetzt – unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und in einem anonymen Grab. Er hatte hier vor seinem Tod gelebt. Kurz vor der Bestattung Chérif Kouachis wurde sein Bruder Saïd in Reims anonym beigesetzt; dort wollte der Bürgermeister die Bestattung zunächst verhindern, zumal er befürchtete, dass das Grab zur Pilgerstätte für Islamisten werden könnte. Den Vorschriften zufolge kann in Frankreich eine Bestattung nicht verhindert werden, wenn die betroffene Person zuletzt in dem Ort gewohnt hat oder dort gestorben ist.

Neben Griechenland und Belgien hat auch Deutschland in den vergangenen Tagen mehrere mutmaßliche Jihadisten festgenommen. Es wird vermutet, dass die Verviers-Zelle Kontakt zu Islamisten in Deutschland hat (Verviers liegt nahe der deutschen Grenze). Italien beobachtet derzeit rund 100 mutmaßliche Jihadisten; im letzten Monat sind laut Innenminister Angelino Alfano neun Verdächtige ausgewiesen worden, etwa nach Tunesien oder Marokko.

In mehreren islamischen Ländern wurde auch gestern erneut wegen der Mohammed-Karikaturen in „Charlie Hebdo“ demonstriert. Im afrikanischen Niger kam es dabei zu Gewalt – mehr als zehn Menschen starben. Während den Protesten sollen mehrere Kirchen angezündet worden sein. Aus Israel hieß es derweil, dass eine IS-Zelle bestehend aus israelischen Arabern ausgehoben wurde: sieben mutmaßlichen Mitglieder sollen Anschläge in Israel geplant haben. (duö/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Bericht: Belgische Islamisten wollten jüdische Schulen angreifen

Deutsche Ermittler prüfen, ob es Verbindungen der belgischen Islamistenzelle zu deutschen Verdächtigen gibt.
Soldaten patrouillieren in Belgien
Außenpolitik

Belgien: Soldaten patrouillieren in Städten

Nach der Festnahme mehrerer Terror-Verdächtiger bewachen 300 Soldaten die belgischen Metropolen Brüssel und Antwerpen.
BELGIUM ANTI TERRORIST ACTION
Außenpolitik

Belgien als Brutstätte für „Gotteskrieger“

Auffällig viele Belgier sind in den Jihad gezogen. Nach der Antiterroraktion will Brüssel nun entschlossener gegen Extremisten vorgehen.
EUROFIGHTER LANDUNG AM FLUGHAFEN WIEN-SCHWECHAT
Leitartikel

Warum nicht gleich neue Eurofighter?

Gegen wahllose Attacken von IS-Mördern kann sich ein Land nicht wehren – egal, welche Befugnisse und Spielzeuge die Exekutive bekommt.
Außenpolitik

Belgien: Zwei Tote bei Anti-Terror-Aktion

Bei einer Aktion im ostbelgischen Verviers wurden zwei jugendliche
Syrien-Rückkehrer getötet und 13 Menschen festgenommen. Sie wollten laut Staatsanwaltschaft „große Anschläge“ verüben.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.