Pegida-Anhänger und -Gegner könnten in Konflikt mit dem Strafrecht kommen. Wegen Hitlergrußes auf der einen und Behinderung einer Veranstaltung auf der anderen Seite.
Wien. Die erste Aufregung hat sich gelegt. Und nach und nach offenbaren sich die letzten Details darüber, was bei der Pegida-Demo Montagabend in Wien passiert ist – und welche Folgen für sämtliche Beteiligten entstehen können. Neben einer friedlichen Demo von rund 5000 Pegida-Gegnern, die am Montagnachmittag vom Museumsquartier zum Stephansplatz zog, hatte ja am Abend eine Gruppe den geplanten Spaziergang der Pegida von der Freyung zum Stephansplatz durch eine Blockade verhindert.
1. Warum kam die Pegida-Demo nicht vom Fleck?
Vom Zug der Nachmittagsdemo spalteten sich etwa 250 Aktivisten ab, die gegen 18.30 Uhr auf der Freyung die geplante Route der etwa 350 Pegida-Anhänger blockierten. Die Polizei stellte sich zwischen die beiden Gruppen, um ein direktes Aufeinandertreffen zu verhindern, an ein Weiterkommen des Demonstrationszugs war allerdings nicht zu denken. Nach etwa eineinhalb Stunden löste die Polizei die Kundgebung schließlich auf. Die Gegendemonstranten wurden danach von der Polizei eingekesselt, um Identitätsfeststellungen vorzunehmen (siehe auch Punkt 4).
2. Welche Vorfälle gab es rund um die Pegida-Demo?
In einer Aussendung der Polizei ist die Rede von 13 Festnahmen. Auch ein Fall von Körperverletzung ist erfasst – eine Aktivistin wurde von mehreren Personen, die ihren Angaben zufolge Pegida-Parolen schrien, geschlagen und verletzt. Auf der anderen Seite gab es mehrere Fälle, bei denen Pegida-Demonstranten durch NS-Gesten wie den dreifingrigen Kühnengruß oder den Hitlergruß auffielen, auch wurden Rufe wie „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“ gehört. Konsequenzen gab es zumindest am Abend der Demo nicht.
3. Warum schritt die Polizei nicht bei Gesten wie dem Hitlergruß ein?
Vorwürfe musste sich die Polizei gefallen lassen, weil Provokateure nicht aus der Menge gefischt und angezeigt wurden. Dass man das nicht getan hat, wird damit begründet, dass ein solches Vorgehen zu körperlichen Auseinandersetzungen führen könne. Man werde aber im Nachhinein Bildmaterial von der Demo auswerten und die Personen ausforschen. Einige der Teilnehmer kenne man ohnehin schon. Und, so heißt es, derartige Verstöße würden auch einen Einfluss darauf haben, ob weitere Pegida-Demos untersagt werden.
4. Welche Konsequenzen drohen den Gegendemonstranten?
Die Polizei hat mehr als hundert Teilnehmer der Gegendemonstration gemäß § 285 StGB (Verhinderung oder Störung einer Versammlung) angezeigt, weil sie die Route der angemeldeten Pegida-Demo blockierten – und trotz wiederholter Aufforderung den Weg nicht frei machten. Ob dieser Paragraf allerdings angewandt werden kann, ist fraglich. So zweifelt Helmut Fuchs, Professor am Institut für Strafrecht der Uni Wien, an, dass die Bedingungen dafür erfüllt sind.
So sind im entsprechenden Paragrafen vier Handlungen aufgezählt – dass nämlich ein geschlossener Raum, in dem eine Versammlung stattfinden soll, unzugänglich gemacht wird, dass eine Person am Zutritt zur Versammlung gehindert wird, dass jemand unbefugt in die Versammlung eindringt oder dass ein Ordner verdrängt wird und man sich einer Anordnung tätlich widersetzt. „Diese Punkte sehe ich nicht erfüllt“, so Fuchs. „Es ist ein widerrechtlicher Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit, aber nicht jeder Eingriff ist strafbar.“ Bloße Passivität werde in Österreich nicht als Gewalt gewertet. Man könnte lediglich erwägen, dass der Raum der Schlusskundgebung unzugänglich gemacht wurde – doch sei es fraglich, ob der Stephansplatz als Ort der geplanten Kundgebung als Versammlungsraum gewertet werden kann.
5. Wie geht es nun mit der Pegida-Bewegung in Wien weiter?
Pegida-Sprecher Georg Immanuel Nagel spricht von einem „vollen Erfolg“ der Demo, wenn auch „noch nicht alles ganz optimal gelaufen“ sei. Für Wien waren zunächst keine Pläne bekannt, doch kündigte Pegida Oberösterreich für Sonntag, 8.Februar, eine Kundgebung in Linz an. Wegen diverser NS-Gesten und Sprüchen könnte es allerdings schwieriger werden, weil das ein Untersagungsgrund sein kann. Bei Pegida selbst distanzierte man sich am Dienstag schließlich – und sprach von „Provokateuren“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2015)