Rebellen in der Ukraine basteln an eigener Luftwaffe

Eine L-29
Eine L-29 "Delfin" in LuhanskYouTube (Screenshot)
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Im Luftfahrtmuseum Luhansk versuchen prorussische Rebellen angeblich, Jets und Helikopter flugfähig zu machen. Die Sache könnte mehr sein als Propaganda. Fliegende Rebellen sind in der Geschichte selten.

Es mag sich zwar etwas bizarr anhören, dennoch: Nicht nur in militärischen Fachmedien ist zur Zeit die Rede davon, dass die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine versuchen, so etwas wie eine eigene Luftwaffe auf die Beine zu stellen. Das zeigte sich zuletzt etwa an einem auf YouTube veröffentlichten Video, das auf dem Gelände des Luftfahrtmuseums der Stadt Luhansk, also mitten in Rebellenland, aufgenommen wurde: Darauf sind Separatisten, darunter angeblich Ingenieure und Piloten, zu sehen, die offenbar versuchen, Flugzeuge des Museums instandzusetzen und flugtauglich zu machen.

Besonders weit scheint man damit zwar noch nicht gekommen zu sein: Auf dem tief winterlichen und verschneiten Gelände sind Dutzende Flugzeuge und Hubschrauber zu sehen, aber keines davon im Fluge. Längere Zeit wird angesichts eines Erdkampfflugzeugs vom Typ Suchoi Su-25 "Frogfoot" verharrt, das mit den Hoheitsabzeichen des abtrünnigen Staates "Neurussland" versehen ist und Startbehälter für ungelenkte Luft-Boden-Raketen an den Tragflächenunterseiten trägt.

Su-25
Su-25 "Frogfoot" der RebellenYoutube (Screenshot)

Tatsächlich in Bewegung sieht man aber nur eine Aero L-29 "Delfin" (Nato-Code: "Maya"), ein leichtes, zweisitziges Trainingsflugzeug tschechischer Provenienz, das als bestenfalls leichtes Erdkampfflugzeug nur minimale 200 Kilogramm Waffenlast mitführen kann. Die Turbine der Delfin wird angeworfen, dann fahren seine zwei Insassen mit dem Jet, der auch zwei kleine Bomben unter den Flügeln trägt, ein wenig auf einer Piste und zwischen parkenden Fluggeräten herum.

Minimaler Kampfwert

Die Delfin wurde in den 1960ern und 70ern gebaut, war zeitweise der Standardtrainer vieler Warschauer-Pakt-Luftwaffen und ist noch heute vereinzelt in den Inventaren einiger weniger Luftwaffen, etwa in Georgien, Mali und Angola, aber auch dort ist ihre Flugtauglichkeit oft zweifelhaft. Allerdings werden nicht wenige "Delfine" auch von privaten Nutzern geflogen, etwa in den USA, Neuseeland und Südafrika. Der Kampfwert der gezeigten "neurussischen" L-29 ist aber, sofern sie überhaupt fliegt, sehr gering, auch angesichts der nicht unerheblichen ukrainischen Luftwaffe. Zumindest für Aufklärungsflüge in niedrigen Höhen könnte der Jet den Separatisten aber durchaus nützlich sein.

Einstieg in die Delfin
Einstieg in die DelfinYouTube (Screenshot)

Über den Zustand der "Frogfoot" kann man nur spekulieren. An sich sind Jets dieses Typs, eingeführt in der UdSSR in den 1980ern, gefürchtete und hart zuschlagende Schlachtflugzeuge und werden in Russland noch gebaut und in viele Staaten exportiert. Auch in der Ukraine waren zumindest zu Beginn des Vorjahrs etwa 36 Stück aktiv (laut World Air Forces 2014 von Flight International), doch wurden seither mindestens fünf von den Rebellen zerstört und zwei beschädigt.

Auch der Zustand der anderen Flugzeuge des Museums (hier ein englischsprachiger Link samt Inventar) dürfte höchst zweifelhaft sein. Man erkennt etwa wirklich uralte MiG-15 "Fagot" und Su-17 "Fitter", aber auch (relativ) moderne Su-24 "Fencer"-Schwenkflügelbomber, Su-27 "Flanker"-Jäger und einen schweren strategischen Tu-95 "Bear"-Bomber von Tupolew.

Fluggerät entlang der Piste, ganz hinten die Delfin
Fluggerät entlang der Piste, ganz hinten die DelfinYouTube (Screenshot)
Auf dem Rollfeld
Auf dem RollfeldYouTube (Screenshot)
Die Delfin, dahinter ein
Die Delfin, dahinter ein "Bear"-Bomber (li.) und eine FrogfootYouTube (Screenshot)

Es ist wenig wahrscheinlich, dass es den Rebellen ohne weiteres gelingen könnte, diese Flugzeuge bzw. Helis flugtauglich zu machen - zumal alte Ausstellungsflugzeuge nicht selten schon "ausgeschlachtet" sind, etwa ohne Triebwerke. Zwar ist das Museum von Luhansk kaum 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, technische Hilfe von dort schiene also möglich. Allerdings ist auch diese Option relativ unwahrscheinlich: Um eine Luftwaffe oberhalb von Ultraleichtflugzeugen oder kleinen Propellermaschinen aufzubauen benötigt es nämlich eine gewisse Infrastruktur mit genügend Resourcen an Mannschaften, Material, Ersatzteilen, Treibstoff und Unterstützungsdiensten wie Radar- und Fernmeldesystemen.

Kiew bestätigt Zerstörung von Rebellenfliegern

Dennoch scheint der Plan kein reines Gehirngespinst zu sein: Das Verteidigungsministerium in Kiew hatte erst Ende Jänner kurz vor Erscheinen des Rebellenvideos bekanntgegeben, man habe an ungenannten Orten mehrere Fluggeräte der Rebellen am Boden zerstört, darunter leichte Propellerflugzeuge und Mi-24-"Hind"-Kampfhubschrauber.

Sollten die prorussischen Separatisten einmal tatsächlich Fluggerät einsetzen, wären sie Mitglied im exklusiven Klub jener Rebellengruppen, denen das bisher gelang. So flogen Piloten der Taliban während des afghanischen Bürgerkriegs in den 1990ern mit erbeuteten MiG-21 "Fishbed"-Jets; die "Tamil Tiger"-Rebellen auf Sri Lanka betrieben in den 2000er-Jahren bis zu ihrer Vernichtung 2009 eine Handvoll leicht bewaffneter Propellerflieger und Ultraleichtflugzeuge im Rahmen der "Air Tigers".

Piloten der
Piloten der "Air Tigers" in einer tschechischen "Zlín"LTTE

Im Biafra-Krieg (1967-70) setzte der von Nigeria abtrünnige Teilstaat Biafra mit ziemlichem Erfolg einige Propellerflugzeuge (darunter Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg) ein, die oft von Söldnern geflogen wurden, etwa aus Schweden, Polen und Portugal.

Zuletzt gab es im Vorjahr Berichte, wonach der "Islamische Staat" in Syrien und im Nordirak ein paar von der syrischen Luftwaffe erbeutete Kampfjets MiG-21 und MiG-23 in die Luft gebracht habe. Sie sollen mittlerweile von den Alliierten zerstört worden sein.

>>> Das Video von Luhansk

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