650 Jahre – und keine Rektorin

Die Frau bietet dem Mann Paroli: Im Arkadenhof der Uni Wien standen bislang 154 Büsten von Männern. Im Jubiläumsjahr gesellen sich 33 Frauen dazu.
Die Frau bietet dem Mann Paroli: Im Arkadenhof der Uni Wien standen bislang 154 Büsten von Männern. Im Jubiläumsjahr gesellen sich 33 Frauen dazu.Die Presse
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Die Universität Wien war jahrhundertelang eine männliche Bastion. Heute gibt es mehr Studentinnen als Studenten. Professorinnen bleiben rar. Doch die gläserne Decke wird dünner.

Albert von Rickmersdorf nannte sich der erste im Jahr 1365, Heinz W. Engl heißt der heutige: Dazwischen standen der Universität Wien exakt 638 andere Rektoren vor. Und sie alle hatten etwas gemeinsam: Sie waren Männer.

Die Alma Mater Rudolphina – die Frauen wie die Sozialwissenschaftlerin Marie Jahoda sowie die Physikerinnen Berta Karlik und Lise Meitner hervorbrachte – wartet also seit 650 Jahren auf eine Frau an der Spitze. Eine Geduldsprobe – und zwar nicht die erste in der Geschichte der Universität.

Schon bis zur ersten Studentin dauert es lange: 532 Jahre vergehen nach der Gründung der Universität Wien, bevor es 1897 erstmals einer Frau gestattet ist, sich zum Studium einzuschreiben. Ihr Name war Elise Richter. Heute erinnert ein Saal am Hauptgebäude an die Errungenschaft der ersten Studentin und Dozentin der Universität Wien. Der universitäre Weg der Frauen blieb weiter ein steiniger.

Vorerst durften Frauen nur an der Philosophischen Fakultät studieren. Zu viele Vorbehalte gab es in der männlichen Professorenschaft: Frauen seien nur für emotionale Berufe geeignet und zu wenig objektiv. Außerdem fürchteten die Männer die wirtschaftliche Konkurrenz. Mit Anträgen und Petitionen machten Frauenvereine Druck. Langsam, aber doch öffneten immer mehr Fakultäten für Frauen ihre Pforten. 1900 wurden Frauen an der Medizin-Fakultät zugelassen, nach dem Ersten Weltkrieg an der juridischen und nach dem Zweiten Weltkrieg zuletzt auch an der Katholisch-theologischen Fakultät.

Nur ein erster Schritt. Der erste große Schritt war damit getan, das Ziel der Gleichberechtigung wurde aber bis heute nicht erreicht. Dabei haben Frauen beim Studium nicht nur auf-, sondern die Männer schon lange überholt. Der Anteil der Frauen an der Universität Wien stieg von Jahrzehnt zu Jahrzehnt – wenn auch nicht immer kontinuierlich (siehe Grafik). Im Jahr 2013 waren laut Zahlen des Wissenschaftsministeriums 62,7 Prozent der Studierenden der Uni Wien weiblich. Frauen schaffen es auch öfter zum Abschluss. Der Frauenanteil bei den Erstabschlüssen (Bachelor- oder Diplomstudium) liegt mit 72,9 Prozent besonders hoch. Bei den Zweitabschlüssen (Master oder Doktorat) liegen Frauen mit 59,3 Prozent zwar immer noch voran, aber nicht mehr ganz so deutlich.



"Beträchtliche Verlustraten". Dann kommt der Knick. Eine wissenschaftliche Karriere schlagen deutlich mehr Männer ein. Das zeigt sich schon bei Uni-Assistenten. Dort liegt der Frauenanteil an der Uni Wien bei 47,3 Prozent. Entlang der universitären Karriereleiter zeigen sich – wie das Wissenschaftsministerium im Universitätsbericht 2014 festhält – „nach wie vor beträchtliche Verlustraten“. Als „akademisches Frauensterben“ wird das auch bezeichnet. So sind unter den Dozenten an der Uni Wien 26,6 Prozent Frauen, unter den Professoren sind es ähnlich viele (26,5 Prozent).

Die Gründe dafür sind vielfältig: Jahrhundertelange Männerbastionen machen es grundsätzlich nicht leicht, mit Geschlechterrollen zu brechen. Hinzu kommen gewichtige Männerbünde sowie die strukturelle Diskriminierung. Und wie in anderen Bereichen spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für viele Frauen in der Wissenschaft eine entscheidende Rolle.

So dramatisch diese Geschlechterkluft auch wirken mag, im Grunde sind die Zahlen ein erstes positives Zeichen. Ein Frauenanteil von 26,5 Prozent unter den Professoren der Uni Wien bedeutet nämlich eine Verdoppelung des Frauenanteils seit dem Jahr 2007. Die gläserne Decke wird laut Gender Monitoring an Österreichs Unis immer dünner. Der Glass-Ceiling-Index, der die Aufstiegschancen von Frauen an Unis bewertet, wird immer besser. Die besten Chancen, zu einer Professur zu kommen, haben Frauen an Kunstunis, gefolgt von wissenschaftlichen Unis wie der Uni Wien. Das Schlusslicht in puncto Wissenschaftskarriere bilden, wenig überraschend, die Technischen Unis.

Für Leitungsfunktionen an Unis gelten andere Spielregeln: Seit Oktober 2009 gilt hier eine Frauenquote von 40 Prozent. Das macht sich seither auch bemerkbar. Im Jahr 2007 wurde erstmals eine Frau an die Spitze einer österreichischen Uni gewählt. Mit kommendem Herbst werden an sieben von 21 Unis Frauen vorstehen.

Und an der Uni Wien? Dort heißt es zur „Presse am Sonntag“: „Die Erhöhung der Frauenanteile hat in den letzten Jahren Dynamik gewonnen – viel ist erreicht, vieles noch zu tun. Wie in vielen anderen Institutionen wird es auch an der Uni Wien nur eine Frage der Zeit sein.“ Bis 2019 wird der Rektor jedenfalls noch Heinz W. Engl heißen.

Frauen

1897 schrieb sich mit Elise Richter die erste Frau an der 1365 gegründeten Universität Wien ein. Sie habilitiert sich 1907 als erste Frau an der Uni Wien und wird 1921, ebenfalls als erste Frau, zur außerordentlichen Professorin. Die erste ordentliche Professur wird 1956 an die Physikerin Berta Karlik verliehen.

58.293 Frauen studierten im Jahr 2013 an der Uni Wien. Ihnen standen 34.133 Männer gegenüber.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2015)

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