Der nun allein regierende David Cameron schickt Finanzminister George Osborne nach Brüssel und Berlin. Er soll den Weg zu Reformen der EU so rasch wie möglich ebnen.
London. Die EU-Partner müssen sich auf schwierige Verhandlungen mit Großbritannien einstellen. Der nun allein regierende Premierminister David Cameron will die Dynamik der Wahl nutzen und umgehend eine Reform der Europäischen Union vorantreiben. Wenige Tage nach seiner Wiederwahl hat er Finanzminister George Osborne mit diesen Gesprächen betraut. Ihm zur Seite wird der ebenfalls in seinem Amt bestätigte Außenminister Philip Hammond stehen.
Osborne soll bereits in den nächsten Wochen nach Berlin und Brüssel reisen, um erste Vorgespräche zu führen. Cameron hatte im Wahlkampf versprochen, den Briten zu mehr Macht gegenüber der EU zu verhelfen. Was er genau anpeilt, hat er freilich offen gelassen. Fest steht nur, dass London Einschränkungen bei der Freizügigkeit von EU-Arbeitnehmern fordern wird. Allein dieser Punkt dürfte zu deutlichen Kontroversen mit anderen EU-Regierungen und der EU-Kommission führen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hält die Freizügigkeit als eines der Herzstücke des gemeinsamen Binnenmarkts für nicht verhandelbar.
Auch für Cameron werden diese Verhandlungen schwierig. Die EU-Skeptiker unter den Tories fühlen sich vom Wahlausgang bestärkt und fordern nun Souveränitätsrechte aus Brüssel zurück. Cameron möchte hingegen durch EU-Reformen dazu beitragen, beim versprochenen Referendum 2017 eine Mehrheit für den Verbleib in der Union sicherzustellen. Mit dem drohenden Nein der Briten hat Cameron eine zwiespältige Verhandlungsposition, die einerseits Zugeständnisse der EU-Partner, andererseits Verwerfungen in der eigenen Partei auslösen könnte. „Camerons Mehrheit ist dünn, die Fraktion hat eine große Macht“, sagt Christian Odendahl vom Centre for European Research in London. Zudem fehlt ihm mit den bisher mitregierenden Liberaldemokraten ein Korrektiv. „Das könnte Cameron zu einer harten Verhandlungsposition zwingen.“
Verlierer suchen neue Parteichefs
Bei den Wahlverlierern setzten unmittelbar nach dem Rücktritt ihrer Parteichefs am Wochenende Nachfolgediskussion ein. Labour-Vize Harriet Harman übernahm zunächst kommissarisch den Führungsposten von Ed Miliband, der nach seinem Scheitern bei der Wahl am Freitag das Handtuch geworfen hatte. Harman ist gleichzeitig Milibands Vorgängerin. Sie war bereits 2010 eingesprungen, als Premierminister Gordon Brown abgewählt worden war. Beim Labour-Parteitag gilt jedoch Andy Burnham aus der Labour-Hochburg Manchester als einer der Favoriten auf die Miliband-Nachfolge.
Bei der rechtspopulistischen UKIP ist die Nachfolge des zurückgetretenen Nigel Farage ebenfalls noch ungeklärt. Douglas Carswell, einziger gewählter UKIP-Vertreter im Parlament, hat am Samstag abgewinkt. Erwartet wird, dass Farage nach Zuspruch aus der eigenen Partei doch wieder die Führung übernehmen könnte. Er hatte angekündigt, seine Rücktrittsentscheidung im Sommer noch einmal zu überdenken. Auch die bisher mitregierenden Liberaldemokraten, bei der Wahl von 57 auf nur noch acht Parlamentssitze dezimiert, suchen einen Nachfolger für den nach acht Jahren scheidenden Nick Clegg. Auch hier ist das Rennen noch gänzlich offen. (ag./wb)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2015)