Diese Politik macht das Heer zur Lachnummer

Verteidigungsminister Darabos bekennt sich zur Wehrpflicht – die es nur noch auf dem Papier gibt.

Mein Name ist Norbert Darabos, und ich habe nicht gedient.“ Nein, das ist keine abgeschmackte Pointe aus einem neuen Kabarettprogramm. Auch kein längst verhalltes Zitat anlässlich des Antritts eines zu seinem Amt quasi zwangsrekrutierten Ministers, wiedergefunden in den erbarmungslosen Tiefen des Archivgedächtnisses. Das ist tatsächlich der Einstiegssatz, den Norbert Darabos für seine am Montag (doch, gestern!) hochtrabend als Grundsatzrede ausgegebenen Ausführungen gewählt hat. Jener Mann also, der von Bundespräsident Heinz Fischer bereits zwei Mal angelobt wurde, das Ministerium für Landesverteidigung zu führen.

Langsam muss man sich nicht nur über die Einsatzfähigkeit des österreichischen Bundesheeres Sorgen machen. Ernsthaft. Dabei: Der Beginn dieser rhetorischen Übung von Darabos passt durchaus zum Gesamteindruck der Rede vor einigen hundert Soldaten (während der Dienstzeit gönnt man sich ja sonst nichts) in der Raab-Kaserne zu Mautern. Insgesamt sehr bemüht, über gar nicht so kurze Strecken zu bemüht das Ganze – mit einem unüberhörbaren Hang zu unfreiwilliger Komik.

Es bedarf schon einer XXX-large-Portion Talent, vom Blatt zu lesen, der Grundwehrdienst müsse für junge Österreicher „interessanter, spannender, fordernder“ werden – ohne auf der Stelle loszuprusten. Sich beim Deklamieren der Passage, er werde den Generalstab beauftragen, unverzüglich (muss sich für einen Nicht-gedient-Habenden wahrscheinlich wie das Nonplusultra militärischen Ausdrucks anfühlen) einen Maßnahmenkatalog auszuarbeiten, nicht vor Lachen zu krümmen und bei einem der nächststehenden Herren Offiziere Halt zu suchen. Oder mit geschwellter Brust ein Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht abzugeben.

Talent ist eben Talent. Da mag noch so oft über den Minister wider Willen gehöhnt werden. Andere, durchaus nahe liegende Möglichkeiten dürften ja auszuscheiden sein. Dass Darabos beispielsweise über fast wortidente, völlig folgenlos gebliebene Enunziationen seiner meist doch politisch etwas gewichtigeren Vor-, Vorvor- und Vorvorvorgänger nicht Bescheid weiß. Dass er wirklich annimmt, die (von wem eigentlich?) weit geöffneten Tore zum Zivildienst auch nur ein ganz, ganz klein wenig wieder schließen zu können. Dass Darabos der Schimäre des Existierens der allgemeinen Wehrpflicht nachhängt und die real existierende Wenn-nicht-untauglich-dann-was-auch-immer-Dienstpflicht übersieht. Als Einziger im ganzen Land? Wer informiert eigentlich den armen Mann? Dass der Landesverteidigungsminister der Republik mit dem geringsten Budgetanteil der westlichen Welt schließlich tatsächlich meint, Österreichs Auslandseinsätze könnten, wie er sagt, mit „sehr starkem Engagement“ fortgesetzt und nicht zurückgefahren werden.

Auch die zuhörenden Soldaten selbst bewiesen gestern Haltung. Als sie sich das aufschlussreiche Bekenntnis ihres Ministers anhören mussten, er sei nie „Militarist“ gewesen und werde auch nie einer werden. Als ob es nur „Militarist“ (böse, sehr) oder eben Zivildiener (gut, sehr) gebe, dazwischen gar nichts. Auch das zum Lachen.

Dabei steht Norbert Darabos in einer gewissen Tradition dieses Landes. Die Politik hat die militärische Landesverteidigung vor allem während der letzten 30, 40 Jahre kaum je ernst genommen. Das Bundesheer galt und gilt als unbeachtetes oder zumindest unverstandenes Anhängsel. Reformkommissionen über Reformkommissionen haben Papiere erarbeitet, die nie konsequent realisiert wurden. Was stets gleichblieb, wurde in all den Jahrzehnten mit Begriffen wie „Redimensionierung“ oder „Ausrichtung auf die neue geopolitische Lage“ schöngeredet: Verkleinern an allen Fronten war und ist angesagt. Mehr oder weniger zufällig, nie einer militärischen, immer einer budgetären Logik folgend.

So ist also die Verteidigungspolitik – oder das, was in Österreich dafür gehalten wird – längst zu einer Lachnummer verkommen. Wo jeder Ankauf auch nur von ein Paar Feldstiefeln in der Öffentlichkeit als anrüchig gesehen wird. Wo alle Debatten, wie Österreichs Landesverteidigung 2009ff.in der Mitte eines weitgehend befriedeten und vereinten Europas aussehen soll, im Keim erstickt werden. Wo die bloße Frage, ob nicht eine Umstellung auf ein Berufsheer zielführend sein könnte, mit dem Hinweis auf Erfahrungen der Zwischenkriegszeit beantwortet wird.

Übrigens: Mein Name ist Dietmar Neuwirth, und ich habe gedient.


dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2009)

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