Die Arbeitslosigkeit wird milder ausfallen als im Westen, schätzt die EU.
Brüssel/Wien (ag/mac). In den letzten Jahren hat sich Lettland daran gewöhnt, stets an der Spitze der EU-Wirtschaftsprognosen zu stehen. Auch bei der jüngsten Vorhersage der EU-Kommission hat das baltische Land die Nase vorn. Diesmal allerdings mit umgekehrten Vorzeichen.
Schoss die lettische Wirtschaftsleistung vor wenigen Jahren noch um zweistellige Prozentsätze nach oben, so erwartet die EU heuer gerade hier den größten Einbruch in der Union. Um 13,1 Prozent wird das lettische BIP 2009 schrumpfen– fast doppelt so stark, wie die EU selbst noch Anfang des Jahres vorhergesagt hat.
Korrekturbedarf im Osten
Überhaupt scheint die Kommission gerade die Lage in den osteuropäischen Mitgliedsländern vor wenigen Monaten noch sehr viel optimistischer gesehen zu haben. Auch Lettlands baltische Nachbarn Estland und Litauen müssen sich auf doppelt so hohe Einbußen bei der BIP-Entwicklung einstellen. Ungarn droht mit einem Minus von 6,3 Prozent gar vier Mal so großes Ungemach, als noch im Jänner vorhergesagt.
Auch der Gesamtausblick für die Region ist klar pessimistisch: Kein einziges der zehn osteuropäischen EU-Mitglieder wird heuer der Rezession entgehen. Auch stabile Volkswirtschaften, wie Polen oder Tschechien, sehen einem Wachstumseinbruch entgegen.
Grund dafür ist vor allem der starke Rückgang der Nachfrage nach osteuropäischen Exporten im Westen. Am besten hält sich Polen, die größte Wirtschaft im Osten der Union. Hier wird heuer lediglich ein Rückgang um 1,4 Prozent erwartet.
Leise Hoffnung gibt erst der Ausblick ins kommende Jahr. Während die gesamte Europäische Union 2010 bestenfalls auf eine Stabilisierung hoffen darf, rechnet die EU-Kommission in Tschechien, der Slowakei, Slowenien und Polen wieder mit leichtem Wachstum. Für alle osteuropäischen EU-Mitglieder gilt das freilich nicht. Die baltischen Staaten werden auch 2010 noch an Rückgängen von bis zu fünf Prozent nagen.
Gewinner am Arbeitsmarkt
Erholen sich die osteuropäischen Länder tatsächlich so schnell, wie die EU heute annimmt, könnte die Region zumindest in einem Punkt die Krise nahezu unbeschadet überstehen: Die drohende Dezimierung an den Arbeitsmärkten könnte an Osteuropa vorbeigehen. In der gesamten EU werden voraussichtlich 5,7 Prozent aller Arbeitsplätze verloren gehen, schätzt die Kommission, und damit drei Jahre Aufschwung zunichtemachen. Im Osten dürfte der Druck auf die Arbeitsmärkte weit geringer ausfallen – mit Ausnahme der Balten, die zehn bis zwölf Prozent aller Jobs einbüßen werden.
Andernorts, etwa in Polen, werden zwar auch 3,7 Prozent aller Arbeitsplätze durch die Krise verschwinden. Im Gegensatz zu Westeuropa sind in diesem Land seit 2005 aber 13 Prozent zusätzliche Jobs geschaffen worden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2009)