WHO-Chefin Chan warnt vor einer zweiten Welle der Krankheit, die jederzeit hereinbrechen könnte. Die höchste Pandemie-Warnstufe könnte ausgerufen werden.
Im Kampf gegen die Mexiko-Grippe erwägt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) offenbar eine Anhebung der Pandemie-Warnstufe von derzeit 5 auf die höchste Alarmstufe 6. Diese bedeute nicht zwangsläufig, dass alle Länder betroffen seien und viele Menschen sterben müssten, sagte WHO-Chefin Margaret Chan der spanischen Zeitung "El Pais". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte jedoch, die WHO habe ihm versichert, Alarmstufe 6 stehe nicht unmittelbar bevor.
Der derzeitige scheinbare Rückgang der Sterblichkeitsrate bedeute nicht, dass die Grippewelle zu Ende gehe, sagte Chan der britischen "Financial Times" (Montagausgabe). Eine zweite Grippewelle könne jederzeit "mit aller Macht" zuschlagen. Unterdessen versuchte die mexikanische Regierung am Montag zu beruhigen: "Wir haben das Virus erfolgreich zurückgedrängt oder zumindest seine Ausbreitung verlangsamt, weil unsere Maßnahmen richtig waren", betonte Präsident Felipe Calderon. Die Epidemie sei im Abklingen, so Gesundheitsminister Jose Angel Cordova. Noch am Montag sollte entschieden werden, ob Firmen und Schulen wieder öffnen dürfen.
Bisland 26 Todesopfer
Die Zahl der nachgewiesenen Todesopfer erhöhte sich auf 26, bis auf ein Kind in den USA starben alle in Mexiko. Das EU-Zentrum für Seuchenbekämpfung (ECDC) ging nach offiziellen Zahlen von 23 Toten aus. Die Zahl der nachgewiesenen Erkrankungen in dem mittelamerikanischen Land stieg auf 590, weltweit gibt es bisher rund 1000 Betroffene. Erste Verdachtsfälle in Kolumbien schürten Befürchtungen, dass die Krankheit nun auch auf die Südhalbkugel übergreifen könnte.
Aus den USA wurden 286 Betroffene in 36 Staaten gemeldet. In der EU bzw. den EFTA-Ländern gibt es offiziell 79 Betroffene, rund die Hälfte sind Spanier. In Österreich wird ein vager Verdachtsfall noch untersucht, 23 der bisher überprüften 24 potenziellen Erkrankten waren eindeutig negativ. Eine Infektion wurde nur in einem Fall nachgewiesen. Dabei handelt es sich um jene 28-jährige Guatemala-Urlauberin, die schon am Samstag wieder aus einem Wiener Spital entlassen wurde. Mehr als die Hälfte (91 von 170) der über einen Veranstalter nach Mexiko gereisten Österreicher ist offenbar bereits ohne Grippesymptome nach Hause zurückgekehrt, so der Fachverband der Reisebüros.
Die Vorbereitungen für eine eventuelle Impfstoff-Produktion gegen den Erreger laufen weiter. Aktuell wird an der Herstellung der Produktionsbereitschaft gearbeitet, so das Gesundheitsministerium. Auf breiter Basis - sprich an der Herstellung von 16 Millionen Dosen - wird noch nicht gearbeitet.
Streit zwischen Mexiko und China
Für böses Blut sorgte die Grippe zwischen Mexiko und China: Mit deutlichen Worten beklagte das Ursprungsland des neuen Influenza-Virus die Behandlung seiner Bürger in China. Einige Staaten hätten aus "Unwissenheit und Fehlinformation" diskriminierende Maßnahmen ergriffen, kritisierte Präsident Calderon. Der mexikanische Botschafter in China hatte zuvor mitgeteilt, dass Mexikaner ohne Symptome auf eine Spital-Isolierstation eines Krankenhauses gebracht worden waren.
Frankreich verschärfte seine Maßnahmen gegen die Grippe: Mexiko-Heimkehrer, die beruflich mit Kindern zu tun haben, sollen eine Woche nicht zur Arbeit gehen. In Ägypten gab es am Sonntag Zusammenstöße, als die Behörden die von der Regierung angeordnete Schlachtung aller 300.000 Schweine umsetzen wollten. Rund 1000 Bewohner eines Elendsviertels in Kairo blockierten die Zufahrt zu Zuchtbetrieben und warfen Steine und Flaschen auf Beamte. Mindestens zwölf Menschen wurden verletzt. In einer Rekrutenschule in Freiburg besteht bei zwei Rekruten der Verdacht auf eine Infektion, das gesamte Areal der Kaserne steht vorsorglich unter Quarantäne.
(Ag./Red.)