Varoufakis: Rien ne va plus für den Spieltheoretiker

File picture of Greek Finance Minister Varoufakis making a statement in Athens
File picture of Greek Finance Minister Varoufakis making a statement in Athens(c) REUTERS (ALKIS KONSTANTINIDIS)
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Der Finanzminister trat zurück, und zwar nicht freiwillig. Das vorläufige Ende eines bitteren Helden.

Wien. „Minister No More!“ Mit diesen Worten gab Yanis Varoufakis Montagfrüh seinen Rücktritt über den Nachrichtendienst Twitter bekannt und überraschte damit viele.

Noch am Abend zuvor, kaum, dass absehbar war, dass die Griechen mit deutlicher Mehrheit mit einem Nein gegen die EU-Sparpläne entschieden hatten, war der Finanzminister noch leger in grauem T-Shirt vor die Kamera getreten. „Ab morgen fangen wir an, unsere Wunden zu heilen“, versprach er den Jubelnden. Und Griechenlands Geldgebern beeilte er sich zu erklären, weshalb sie nun die Rechnung präsentiert bekommen hätten: Jede substanzielle Diskussion hätten sie verweigert, die Schließung der Banken vom ersten Moment an geplant, um das griechische Volk zu demütigen. Dennoch, so sein Sukkus, „werden wir unseren Partnern die Hand der Kooperation entgegenstrecken“.

Dass seine Hand nicht mehr unter den ausgestreckten sein würde, dürfte Varoufakis zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst gewesen sein. Ausgerechnet sein Freund, Ministerpräsident Alexis Tsipras, machte ihm nur wenige Stunden später klar, dass seine Tage als Finanzminister gezählt seien. Ein Abschuss, der Varoufakis wehgetan haben muss. Seine Kränkung darüber ist in seinem Twitter-Eintrag spürbar: „Ich bin darauf hingewiesen worden, dass es einige Mitglieder der Euro-Gruppe vorziehen, wenn ich nicht mehr an ihren Treffen teilnehmen werde. Eine Idee, die von Ministerpräsident Alexis Tsipras als potenziell hilfreich betrachtet wird, um eine Einigung zu erzielen. Aus diesem Grund verlasse ich das Finanzministerium heute.“ Doch er werde die Abscheu der Gläubiger mit Stolz tragen. Die Heldenattitüde behielt Varoufakis auch im Abgang bei.

Varoufakis' Motto: Konfrontation

Doch irgendwie muss der 54-Jährige wohl damit gerechnet haben, dass er nicht mehr allzu lange mit seinem Motorrad ins griechische Finanzministerium zu fahren braucht. Verstand er es doch so gut wie kein anderer, sich in Rekordzeit mit seinem aggressiven und provokanten Verhalten allerorts Feinde zu machen. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Jänner 2015 brüskierte er Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem, der zu einem Besuch nach Athen gekommen war, vor laufender Kamera. Nachdem der Niederländer betont hatte, gemeinsam nach Lösungen suchen zu wollen, konterte Varoufakis grinsend, Griechenland habe gar nicht mehr die Absicht, mit der „fadenscheinigen“ und „anti-europäischen“ Troika zusammenzuarbeiten. Dem sonst ruhigen Dijsselbloem fiel es danach sichtlich schwer, dem Griechen die Hand zu schütteln.

Doch auch bei seinen europäischen Kollegen gelang es dem Mann mit ausgeprägtem Ego nicht, Pluspunkte zu sammeln. Vor allem dem deutschen Finanzminister war der Unmut über das unprofessionelle Verhalten von Varoufakis bald anzumerken. Weder konnten ihn dessen Vorschläge überzeugen, noch hinterließen die langatmigen Belehrungen des griechischen Wirtschaftswissenschaftlers irgendeinen Eindruck bei ihm. „Wir sind uns einig, dass wir uns uneinig sind“, so Schäubles Fazit schon im Februar, an dem sich bis zum Schluss nichts ändern sollte.

Dass sich EU-Parlamentspräsident Martin Schulz vergangenen Sonntagabend bei einem Interview im ARD sogar weigerte, den Namen von Varoufakis in den Mund zu nehmen, sondern nur mehr von „diesem griechischen Finanzminister“ sprach, war wohl deutlichstes Signal unüberbrückbarer Abneigung – und für Tsipras vielleicht der letzte Anstoß für den Dolchstoß.

Doch warum hat er Varoufakis nicht schon vor Wochen entthront? Nichts hätten die europäischen Geldgeber mehr begrüßt, und viele zermürbende Verhandlungsstunden hätten vielleicht gar nicht stattgefunden. Doch Politik funktioniert eben anders: Varoufakis war Tsipras gerade in den letzten Tagen vor dem Referendum mit seinen reißerischen Sagern von Nutzen und Garant für viele und noch mehr Nein-Stimmen. Das Ergebnis ist der beste Beweis.

Jetzt, da der große Erfolg eingefahren ist, muss Tsipras an die Zukunft denken. Verhandlungen mit den EU-Partnern versprechen für beide Seiten ohne Varoufakis leichter zu werden und lassen sich überdies als großzügiges Entgegenkommen an die EU verkaufen.

AUF EINEN BLICK

Yanis Varoufakis ist am Montag als Finanzminister zurückgetreten. Die Entscheidung dürfte nicht er selbst, sondern Ministerpräsident Alexis Tsipras getroffen haben. Varoufakis argumentierte, dass offenbar ein Teil der Amtskollegen in der Euro-Gruppe lieber ohne ihn weiterarbeiten möchten. Der Wissenschaftler hatte mit seinen ideologischen Grundsatzreden vor allem den deutschen Finanzminister, Wolfgang Schäuble, gegen sich aufgebracht. Er werde die Abscheu der Gläubiger mit Stolz tragen, kündigte der scheidende Minister an. Zur weiteren beruflichen Zukunft von Varoufakis gab es vorerst keinen Hinweis.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2015)

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