Außenminister Zarif plant eine neue diplomatische Offensive. Er bietet den skeptischen Golfstaaten nach dem Atomdeal Zusammenarbeit an. Doch schließt das auch Saudiarabien ein?
Zum Fest des Fastenbrechens nach dem Ramadan hatte Irans Außenminister, Javad Zarif, eine Friedensbotschaft für die arabischen Nachbarn parat. „Nachdem die künstliche Krise um das Nuklearprogramm gelöst ist, eröffnet sich eine neue Möglichkeit für regionale und internationale Kooperation“, teilte der neue Darling der iranischen Nation mit.
Nach der Wiener Einigung im 13 Jahre währenden Atomstreit will Zarif offenbar den Schwung für eine diplomatische Offensive nützen. Schon bald werde er in die Golfstaaten reisen, ließ er ausrichten. Der Iran sei ernsthaft interessiert, die Beziehungen in der Region auszubauen. Zu reparieren gibt es einiges. Die arabische Welt bedauert fast geschlossen, dass der Iran nun als atomare Schwellenmacht anerkannt ist und seine Sanktionen abschüttelt. Dahinter verbirgt sich die Angst, das schiitische Regime in Teheran werde seine regionalen Machtansprüche nun aggressiver denn je forcieren.
Stellvertreterkriege in Nahost
Schon jetzt toben Stellvertreterkriege in Nahost. Und es scheint nur eine Frage der Zeit, bis die großen Gegenspieler, das sunnitische Saudiarabien und der schiitische Iran, direkt aufeinanderprallen. Syrien ist nur eines der Schlachtfelder. In Damaskus halten die Iraner den alawitischen Diktator Assad mit militärischer und finanzieller Hilfe an der Macht, während die Saudis die radikalisierte syrische Opposition mit Waffen versorgen.
Im Jemen reagieren die Saudis mit Luftangriffen auf den Vormarsch der schiitischen Houthi-Rebellen, weil sie einen iranischen Brückenkopf auf der arabischen Halbinsel befürchten. Und auch im Libanon haben sowohl das saudische Königshaus als auch die Mullahs ihre Finger kräftig im Spiel. Den Süden des Landes halten die radikalen schiitischen Hisbollah-Milizen als als fünfte Kolonne der Islamischen Republik im Griff; Saudiarabien wiederum hat enge Kontakte zu sunnitischen Gruppen geknüpft, vor allem zum Hariri-Clan.
Die palästinensische Hamas, ein Ableger der sunnitischen (und von den Saudis verabscheuten) Moslembrüder, zapft beide Regionalmächte an. Wie Freitag bekannt wurde, traf Hamas-Chef Khaled Meshaal dieser Tage König Salman in Riad. Sein Verhältnis zum Iran hatte sich getrübt, seit er sich für den Sturz Assads ausgesprochen hatte. Danach musste er sein Büro von Damaskus nach Katar verlegen. Doch inzwischen fließen westlichen Geheimdiensten zufolge wieder iranische Millionen an die terroristische Hamas, zumindest an die Kassam-Brigaden, deren Verhältnis zu Meshaal als gestört gilt.
Mit dem Atomabkommen erhält Teheran auch Zugriff auf 100 Milliarden Dollar, die in den USA eingefroren sind. Wird ein Teil davon Assad, der Hisbollah, der Hamas oder den Houthis zukommen?
Adel al-Jubeir, Saudiarabiens Außenminister, warnte den Iran bei einem Blitzbesuch in den USA ausdrücklich vor Abenteuern in der Region. Denn dann werde Saudiarabien entschlossen dagegenhalten. Jahrelang intrigierten die Saudis ebenso beharrlich wie Israel gegen das Atomabkommen. Sie hätten eine Isolation des Iran vorgezogen. Doch die Eiszeit ist vorüber.
Briten eröffnen Botschaft
Bei einem Telefonat mit Irans Präsident, Hassan Rohani, kündigte Großbritanniens Premier, David Cameron, die Wiedereröffnung der britischen Botschaft in Teheran an. Die USA lassen es angesichts der Widerstände im republikanisch dominierten Kongress und der Proteste Israels langsamer angehen. Doch auch sie könnten bald nachziehen. Vorausgesetzt, Ayatollah Khamenei will überhaupt eine Normalisierung der Beziehung zu Washington. Allzu weit wird der Oberste Führer den Iran kaum öffnen.
Und das könnte auch Zarifs Diplomatieoffensive bremsen. Ein Besuch in Riad war vermutlich ohnedies nicht vorgesehen. Auf den großen, von den USA vermittelten Interessenausgleich zwischen Saudiarabien und dem Iran werden Syrien und der Nahe Osten noch länger warten müssen, vielleicht für immer. Ein Kooperationsfeld aber böte sich schon jetzt an, der Kampf gegen einen gemeinsamen Feind: die Extremisten des IS. Das merkte auch Cameron an. (ag, cu)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2015)