Iran-Diplomatie: Das große Rennen nach Teheran

Sigmar Gabriel Bundesminister fuer Wirtschaft und Energie SPD PK zum Thema Zukunft Mittelstand
Sigmar Gabriel Bundesminister fuer Wirtschaft und Energie SPD PK zum Thema Zukunft Mittelstandimago/Jens Schicke
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Deutschlands Vizekanzler Gabriel eröffnete den Wettlauf um das Milliardengeschäft mit dem Iran. Eine österreichische Delegation unter Führung Heinz Fischers macht sich im September auf den Weg.

Wien. Der Bundespräsident ließ eine gewisse Anstandsfrist verstreichen. Heinz Fischer hob sich die Ankündigung für die von langer Hand vorbereitete Iran-Reise eigens für den Auftakt einer zweitägigen Wirtschaftskonferenz mit dem Iran am Donnerstag auf, die die Bundeswirtschaftskammer (WKO) bereits vor Monaten eingefädelt hatte – für den Fall einer Einigung im Atomkonflikt. Das Atomabkommen markierte nun den Startschuss für den Run nach Teheran, für den Wettlauf der Konzerne um das Milliardengeschäft mit dem schiitischen Regime. Auch McDonald's bewarb sich gleich um eine Lizenz.

Die Bekanntgabe des Bundespräsidenten war quasi als Entree für die Teilnehmer der Konferenz aus Österreich und dem Iran gedacht. Ort und Anlass geben auch einen klaren Hinweis auf die primär wirtschaftlichen Interessen des dreitägigen Teheran-Besuchs Fischers am 7. September an der Spitze einer großen Delegation samt Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Außenminister Sebastian Kurz und WKO-Präsident Christoph Leitl. Von den Grünen bis zum Club der Freunde Israels kamen umgehend Vorwürfe gegen die Reise.

Der Atomdeal, in Wien geschmiedet, hatte die letzte Hürde für den Teheran-Trip Fischers am 7. September beseitigt. Doch der Präsidentschaftskanzlei schien der Zeitpunkt in unmittelbarer Folge nicht geeignet, die seit der Wahl Hassan Rohanis zum iranischen Präsidenten vor zwei Jahren bestehende Einladung in den Iran zu bestätigen. Sie gründet sich nicht zuletzt auf die traditionell guten diplomatischen Beziehungen zwischen Wien und Teheran, die insbesondere die Präsidenten Thomas Klestil und Mohammed Khatami mit einem regen Austausch gepflegt haben.

1999 und 2004 war Klestil zu Besuch nach Teheran gereist. Während Klestil hauptsächlich als Türöffner für die österreichische Wirtschaft agierte, stand für Khatami sein Lieblingsprojekt im Vordergrund – der Dialog des Islam mit dem Westen. Die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft haben die Kontakte auf offizieller Ebene 2006 auf Eis gelegt. Doch bei seiner Iran-Visite im April 2014 knüpfte Außenminister Kurz wieder an die Beziehungen an, um den Besuch Fischers vorzubereiten.

An der Eisbrecherfront

Österreich wähnte sich mit an der Spitze der Eisbrecherfront, auch Italiens Außenminister und eine französische Wirtschaftsdelegation hatten das Terrain in Teheran sondiert. Berlin kam Wien indes zuvor. Fünf Tage nach dem Durchbruch im Atomstreit setzte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Deutschlands bulliger Vizekanzler, als erster westlicher Spitzenpolitiker in der iranischen Hauptstadt seinen Fuß in die Tür – und eröffnete mit durchaus sportlichem Ehrgeiz das Wettrennen um die Pfründe, um Infrastrukturprojekte und das lukrative Geschäft mit Öl und Gas. Sein Motto: „Kontakte statt Konflikte“.

Gabriel negierte die Kritik aus fast allen politischen Lagern, wonach Wirtschaftsinteressen für ihn Priorität hätten. Linke wie Rechte warfen ihm vor, ein falsches Signal zu vermitteln. Doch dem Wirtschaftsminister ging es darum, Flagge für die deutsche Wirtschaft zu zeigen, die bis zu den Sanktionen stärkster Handelspartner des Iran war – bis China sie ablöste. Stellvertretend für die gesamte Branche sagte Siemens-Chef Joe Kaeser in einem Interview: „Hier gibt es auch Opportunitäten und Chancen.“ Zugleich mahnte er zur Besonnenheit: „Man darf nichts überstürzen.“

Kaum dem Flugzeug entstiegen, betonte Gabriel stattdessen das Existenzrecht Israels – was zwar bei den Gastgebern nicht auf Widerhall stieß, aber den Iran-Kritikern in der Heimat zumindest rhetorisch Genüge tat. Bei jeder Gelegenheit ließ der deutsche Vizekanzler Kritik an der misslichen Lage der Menschenrechte anklingen. So will es auch Österreich halten – die wirtschaftlichen Perspektiven ausloten, gleichzeitig heikle Fragen wie Todesstrafe oder Zensur offen ansprechen.

Bevor Fischer & Co. in den Iran reisen, werden indessen in der kommenden Woche Federica Mogherini, die EU-Außenbeauftragte, und Frankreichs Außenminister, Laurent Fabius, zu politischen Gesprächen nach Teheran aufbrechen – um später die Früchte ihrer diplomatischen Arbeit zu ernten. Und die Briten wollen bis zum Ende des Jahres ihre Botschaft in Teheran wieder eröffnen.

Weitere Infos:www.diepresse.com/iran

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2015)

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