Auch der Papst fliegt Charter

Pope Francis waves through window of airplane at the Sarajevo airport
Pope Francis waves through window of airplane at the Sarajevo airport(c) REUTERS
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Pauschalreisende nützen Linienflieger, Geschäftsleute sitzen in der Billig-Airline: Diese strikten Grenzen gibt es nicht mehr. Der Markt ist heiß umkämpft, die Lufthansa will mit dem Eurowings-Konzept auch im Tourismus die erste Geige spielen.

Früher war die Welt noch in Ordnung: Reiste man geschäftlich, flog man per Linienjet. Ging es in den Urlaub, nützte man einen Charterflug. Solche Charter-Fluglinien gibt es zwar nach wie vor – wer hat sich nicht schon über Exoten wie Atlas Blue, Edelweiss, Onur oder Belair gewundert, die vor allem im Sommer die Flughäfen bunt machen.

Aber die strikten Grenzen gibt es schon lange nicht mehr. Das Match lautet nicht mehr Condor gegen TUIfly gegen Sun Express, um beim größten Touristikmarkt Europas, Deutschland, zu bleiben. Der Konkurrenzkampf findet längst zwischen den großen Linien-Gesellschaften und den stark wachsenden Billig-Airlines statt. Irgendwo dazwischen versuchen sich die reinen Ferienflieger zu halten.

Wer sind also die großen Player im Ferienflug? Es sind mit der Lufthansa (mit den Töchtern AUA und Swiss), mit Air France/KLM und mit British Airways (mit der Tochter Iberia) genau jene großen Konzerne, die die europäische Luftfahrt überhaupt dominieren. Auf der anderen Seite stehen die Billig-Airlines mit Ryanair und Easyjet an der Spitze: Mit Kampfpreisen haben sie nicht nur den Markt gehörig aufgemischt. Sie haben sich über die Jahre auch auf lukrativen Urlaubs-Destinationen etabliert. So haben die Ryanair-Flüge von Schottland nach Ibiza inzwischen einen besonderen Ruf: Nicht nur die Flieger sind immer knallvoll, auch von Passagieren wird solches berichtet. Die Billig-Airlines haben den Markt auch in anderer Hinsicht revolutioniert: Da bei ihnen Buchungen zu 95 Prozent über das Internet erfolgen, torpedieren sie eine der letzten traditionellen Bastionen in der Tourismuswirtschaft: den Vertrieb über Reisebüros.

Das beste Beispiel für einen Mix aus Charter- und Linienflug ist die Air Berlin. Die deutsche Mutter der österreichischen Niki fing als Chartergesellschaft an. Heutzutage steuern beide Fluglinien neben Zielen in ganz Europa die klassischen Urlaubsdestinationen Spanien, Griechenland und die Türkei an – mittels Linienflug.

Die Lufthansa wiederum versucht mit ihrer neuen Strategie alle Zielgruppen einzufangen und so die Topposition in Europa zu festigen. Der Kranich drängt mit ganzer Wucht in den Tourismus. Die hauseigene Billigschiene Eurowings soll nicht nur Ryanair und Co. Paroli bieten, sondern auch im Charterteich fischen. Und zwar auf der Mittel- und Langstrecke. „Wir lassen uns nicht vertreiben“, sagt Condor-Chef Ralf Teckentrup. Die Herausforderung ist enorm: Während die Condor gerade einmal 40 Flugzeuge hat, umfasst die Lufthansa-Flotte (inklusive AUA und Swiss) 600 Maschinen.

Mix zwischen Charter und Linie

Schon heutzutage sitzen in einem Flugzeug Businessreisende neben Urlaubern, die allein ihr Ferienziel ansteuern, und solchen, die bei einem Reiseveranstalter ein Pauschalarrangement (Flug, Hotel, Transfer, Ausflüge) gebucht haben. Für letztere Variante wurde der Charterflug eigentlich erfunden: Reiseveranstalter buchen (chartern) bei einer Airline auf eigenes Risiko Plätze im Rahmen einer von ihnen organisierten Pauschalreise. Um Urlauber preisgünstiger als im Linienverkehr befördern zu können, wurden Charterflüge einst sogar von bestimmten Steuern befreit. Das war der Grund, warum in den 1960er-Jahren viele (damals noch vollstaatliche) Fluglinien eigene Chartertöchter gründeten bzw. eigenständige Charter-Airlines entstanden.

Als die Billig-Airlines den Markt eroberten, begannen die etablierten Charter-Airlines leere Sitze einzeln zu verkaufen. So macht das inzwischen auch die Condor, die dem britischen Reiseriesen Thomas Cook gehört. Sie gilt zwar als klassische Charterfluggesellschaft, sie nimmt aber auch Einzelbucher mit. Umgekehrt nehmen klassische Airlines Charterkontingente. Dieser Mix wird sich Experten zufolge noch verstärken.

Den klassischen Charter gibt es natürlich noch: Jeder Bedarfsflug – im Businessjet ebenso wie im Hubschrauber – ist ein Charterflug. So gesehen fliegt auch der Papst Charter: Für seine Reisen nützt der Heilige Vater eine Sondermaschine der Alitalia.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)

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