Priceline – das unbekannte „Google der Reiseindustrie“

File photo of a tourist walking past the Pyramid at the Louvre museum in Paris
File photo of a tourist walking past the Pyramid at the Louvre museum in Paris(c) REUTERS
  • Drucken

Mit seiner wichtigsten Tochter, Booking.com, mischt der US-Konzern seit einigen Jahren die globale Reisebranche auf.

Die Parallelen sind unverkennbar. 1998, als Google den Markt für Internetsuchmaschinen betrat, war dieser fest in der Hand von etablierten Anbietern. Wer etwas brauchte, holte sich seine Informationen über Yahoo oder Altavista. Bedarf für einen neuen Anbieter gab es eigentlich nicht – so dachte man zumindest.

Doch dann kam die von den beiden Stanford-Studenten Larry Page und Sergej Brin programmierte neue Suchmaschine und krempelte den Markt in wenigen Jahren um. Heute verfügt Google in Europa über einen Marktanteil von über 90 Prozent, in den USA sind es knapp zwei Drittel. Yahoo hat den Anschluss vollständig verloren, und Altavista ist überhaupt zu einem Fall für die Geschichtsbücher geworden.

Von Amsterdam aus die Welt erobert

Auch das Geschäft mit Reise-Onlineportalen war vor einigen Jahren bereits fest aufgeteilt. In den USA herrschte der 1995 als Teil von Microsoft gegründete Platzhirsch Expedia, der seine Fühler nach Europa ausstreckte. In Europa wurden Hotels vornehmlich über die deutsche HRS oder das britische Portal Opodo gebucht. Das 1996 in Amsterdam gegründete Unternehmen Booking.com rangierte noch unter ferner liefen. Doch dann übernahm 2005 der US-Konzern Priceline die Holländer. Die Amerikaner, die mit Online-Versteigerungen von Reisen groß geworden waren, hatten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls wirtschaftliche Probleme und mussten sich neu erfinden. Das gelang ihnen mit Booking.com.

Wie dereinst Google setzten sie auf drastischen Minimalismus bei der Darstellung ihrer Seite. Statt sich durch eine detaillierte Suchmaske klicken zu müssen, erhielten die Kunden nach der Eingabe weniger Basisdaten die Angebote. Und auch dort führte Booking zwei Neuerungen ein. So wurden erstmals Bewertungen anderer Kunden als Hauptmerkmal für die Priorisierung genutzt, und die Kunden hatten die Möglichkeit, bis zum Tag der Anreise ihre Buchung kostenlos wieder zu stornieren – ein bis dahin undenkbares Service, das von seiner Bedeutung her mit dem Gratisversand von Amazon vergleichbar ist.

Garniert mit Psychotricks à la „Nur mehr ein Zimmer verfügbar“ und einem exzessiven Marketing – Priceline soll 2014 mit Werbeausgaben in Höhe von 2,4 Milliarden Dollar der größte Einzelkunde von Google gewesen sein – rollte Booking den Markt der Online-Buchungen vollständig neu auf. Heute hat das Unternehmen laut Berechnungen des Schweizer Touristikprofessors Roland Schegg in Frankreich, Italien oder Spanien bereits einen Marktanteil von 70 Prozent. An der Börse ist Priceline mit einem Wert von 64 Milliarden Dollar daher bereits das wertvollste Unternehmen der Reisebranche.

Diese zunehmende Dominanz führt aber nicht nur bei den Konkurrenten zu Ärger. Auch den Hotels, die anfangs froh waren, über Booking neue Kundenschichten ansprechen zu können, bereitet es zunehmend Sorgen, dass sie sich immer stärker an Priceline ausliefern müssen, um im Geschäft bleiben zu können.

Priceline ist überall dabei

Denn Booking ist zwar das Kernstück von Priceline, der Konzern ist aber auch in anderen Bereichen der Online-Reisebranche sehr aktiv. So erwarb er 2012 die Meta-Reisesuchmaschine Kayak, die als weltgrößter Anbieter in dem Bereich gilt und der auch der heimische Anbieter Checkfelix gehört. Zuletzt investierte Priceline aber vor allem in innovative Start-ups, die sich mit Treuesystemen, Rechnungssoftware oder der Ergebnisoptimierung bei der Hotelsuche beschäftigen. Priceline scheint bei jedem Teilbereich der Reisebranche seine Hand im Spiel haben zu wollen und Daten zu sammeln. Wieder eine Parallele zu Google.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

A policeman rides a camel while guarding the site at the pyramids plateau
Leitartikel

Die Furcht ist die größte Waffe der Terroristen

Kein Urlaub ist es wert, sich in Lebensgefahr zu begeben. Trotzdem sollten wir uns nicht von Extremisten diktieren lassen, wohin man fahren „darf“.
Tourist Industry Remains Main Source Of Earnings For Greece
Österreich

Der Kampf um die Klicks: Wem gehört der Urlaub?

Onlineportale wie Checkfelix oder Booking.com machen den etablierten Reisebüros und Veranstaltern das Geschäft streitig. Sie schneiden am Umsatz mit und setzen die Anbieter mit Vertragsklauseln wie der Bestpreisklausel unter Druck.
Wandergruppe
Österreich

Wandern oder flanieren: Wie man Urlaub verkauft

Die eine zentrale Instanz, die Urlaub auf dem Reißbrett entwirft, gibt es nicht. Viele Akteure bestimmen, wie Urlaub aussieht.
Pope Francis waves through window of airplane at the Sarajevo airport
International

Auch der Papst fliegt Charter

Pauschalreisende nützen Linienflieger, Geschäftsleute sitzen in der Billig-Airline: Diese strikten Grenzen gibt es nicht mehr. Der Markt ist heiß umkämpft, die Lufthansa will mit dem Eurowings-Konzept auch im Tourismus die erste Geige spielen.
Tourists In Sydney As Crocodile Dundee-Era Hotels Hamper Australia's Tourism Revival
Österreich

Mehr Schutz für Online-Bucher

Pauschalreise-Richtlinie. Eine Neufassung beinhaltet auch individuell zusammengestellte Angebote im Internet. Auf heimische Betriebe kommt neuer bürokratischer Aufwand hinzu.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.