Wandern oder flanieren: Wie man Urlaub verkauft

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Die eine zentrale Instanz, die Urlaub auf dem Reißbrett entwirft, gibt es nicht. Viele Akteure bestimmen, wie Urlaub aussieht.

Wer entscheidet eigentlich, wie wir unseren Urlaub verbringen? „Es gibt niemanden, der das Gesamtprodukt in Summe konzipiert. Das Faszinierende ist, dass der Tourismus aus vielen kleinen Einzelleistungen entsteht. Allein, wenn Sie einen Ski-Urlaub machen, haben Sie mit über 40 Leistungsträgern zu tun“, sagt Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung (ÖW).

Die Aufgabe für eine nationale Tourismusorganisation wie die ÖW sei es, Nachfrage und Angebot aufeinander abzustimmen. „Die kleinen Tourismusbetriebe vor Ort können nicht checken, wie sich ein Markt vor Ort entwickelt, was der Brite, was der Niederländer will. Dafür haben wir unsere Büros vor Ort, die Informationen sammeln“, sagt Stolba. Die Infos über die Vorlieben in den einzenen Zielmärkten würden dann an die jeweiligen regionalen Tourismusgesellschaften weitergegeben, die sich dann ihrerseits passende Produkte überlegen. Die wiederum vermarktet die die ÖW in den Zielmärkten.

Italiener flanieren, Polen schwitzen

Ein Produkt, das in allen Märkten gleichermaßen funktioniert, gibt es nicht, meint Stolba: „Nehmen wir das Beispiel Wandern. Die Italiener stellen sich darunter einen ebenen Waldweg vor, wo sie in schicker Kleidung flanieren und unterwegs irgendwo gut essen können. Die Polen hingegen wollen rauf auf den Gipfel, die wollen schwitzen. Die Ungarn wollen idyllische Almen.“ Die Herausforderung sieht Stolba vor allem in der Kleinteiligkeit des Tourismus. „Bis die Information zu allen Mikrounternehmen durchgedrungen ist, dauert das, und nicht immer werden diese auch angenommen. Ich kann zum Beispiel noch so oft schreien, dass wir im Sommer bei den Russen noch Potenzial haben, wenn wir mehr auf ihre Bedürfnisse eingehen, das kommt nicht an.“ Russen würden im Sommer die Kombination zwischen Natur, Shoppen und Wellness schätzen.

Die Vermarktung funktioniert nicht immer gleich. In den Märkten außerhalb Europas werden ansässige Reiseveranstalter und -büros als Partner herangezogen. „Da stoßen wir oft auf das Problem, dass die Reiseveranstalter noch konservativer sind als ihre Klientel. In Japan zum Beispiel“, sagt Stolba. Da müsse man Überzeugungsarbeit leisten, Besitzer von Reisebüros nach Österreich mitnehmen, Mitarbeiterschulungen veranstalten, um ein zeitgemäßes Bild von Österreich jenseits von Sissi-Kitsch und „Sound of Music“ zu etablieren.

Etablierte und Postmaterielle

In den wichtigen europäischen Märkten (Top 3: Deutschland, die Niederlande und Großbritannien) gibt es eigens konzipierte Werbekampagnen direkt für die Endkunden – über die klassischen Kanäle Radio und Fernsehen, aber immer mehr auch über soziale Medien und Blogs. „In Deutschland wissen wir bis auf die Straßenzüge genau, wo unsere Zielgruppen wohnen“, sagt Stolba.

Die Urlauber werden nach Sinusmilieus eingeteilt. Die für Österreich relevanten Gruppen sind die „Etablierten“ – die leistungsbewusste und eher traditionelle Oberschicht – und die „Postmateriellen“ – die unkonventionell und konsumkritisch eingestellte, gebildete Mittelschicht. (es)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)

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