Pauschalreise-Richtlinie. Eine Neufassung beinhaltet auch individuell zusammengestellte Angebote im Internet. Auf heimische Betriebe kommt neuer bürokratischer Aufwand hinzu.
Egal, ob es ein Kurztrip nach Venedig, eine Rucksackreise durch Thailand oder ein Luxusurlaub auf Sardinien sein soll: Schnelle Onlinebuchungen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, während der Ausflug ins Reisebüro samt Gustieren in einschlägigen Katalogen beinahe als unzeitgemäß gilt. 120 Millionen Verbraucher EU-weit erwerben heutzutage bereits individuelle Reisearrangements im Netz.
Umso mehr war es nach Auffassung der EU-Kommission an der Zeit, die Pauschalreise-Richtlinie aus dem Jahr 1990 gründlich zu überarbeiten. Die kurz vor der Urlaubssaison im EU-Wettbewerbsrat erzielte Einigung sieht nun insbesondere vor, dass auch bestimmte Angebote aus dem Internet künftig als Pauschalreise eingestuft werden. Wichtigste Voraussetzung: Es muss sich um ein gekoppeltes Arrangement handeln, bei dem die Angebote untereinander verbunden sind. Dies ist der Fall, wenn der gesamte Trip auf einem einzigen Online-Portal gebucht wird; doch auch sogenannte Click-through-Buchungen zählen künftig als Pauschalreise. Gemeint sind etwa jene Angebote, bei denen die wichtigsten Daten des Kunden – wie Adresse, Telefonnummer etc. – automatisch weitergeleitet werden, wenn dieser sich im Internet von der Flugbuchung zu Mietwagen und Hotelreservierung klickt.
Die Vorteile von Pauschalreisen für den Kunden liegen auf der Hand: Neben verbesserten Stornobedingungen und der leichteren Einklagbarkeit von Preissenkungen bei Schäden schätzen viele Reisende, dass nur ein einziger Ansprechpartner für die Problembewältigung zuständig ist.
„Schlechte Gesetzgebung“
Doch die Neufassung der Richtlinie ruft auch Kritiker auf den Plan. Mit den Vorschriften komme auf die heimische Tourismusindustrie unabsehbarer bürokratischer Aufwand hinzu, wie Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner moniert: Die Erweiterung des Pauschalreisebegriffs betrifft neben Internetbuchungen beinahe alle Kombinationsangebote eines Hotelbetriebs. Diese kann der Kunde individuell zusammenstellen.
Bietet eine Herberge neben Übernachtung und Verköstigung Angebote wie einen Skipass, eine Massage oder eine Kutschenfahrt an, braucht sie dafür künftig eine Reisebürolizenz und eine Insolvenzabsicherung, erklärt Matthias Koch vom österreichischen Fachverband Hotellerie im Gespräch mit der „Presse“ – es sei denn, die Leistungen werden erst vor Ort gebucht oder betragen weniger als 25 Prozent des Gesamtpreises. Auch die Vermietung von Fahrrädern ist von der Definition ausgenommen.
Für Mitterlehner sind diese Zugeständnisse nicht genug: Besonders Klein- und Mittelbetriebe hätten künftig einen „Strudel von sehr schwer steuerbaren Ereignissen und Notwendigkeiten“ zu bewältigen, meint er. Österreich stimmte deshalb beim Wettbewerbsrat gegen den Kompromiss. Auch Koch spricht von einem „Beispiel überbordender Gesetzgebung“ für die 17.000 heimischen Beherbungsbetriebe. Den „großen Reiseveranstaltern in Großbritannien und Deutschland“ käme die Neuregelung aber freilich entgegen. Die Vorgaben dürften für die Hotels ab Mitte 2018 zur Anwendung kommen: Nach der Abstimmung des EU-Parlaments im Oktober und der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt bleiben dafür 30 Monate Zeit.
AUF EINEN BLICK
Die EU-Kommission will den veränderten Buchungsgewohnheiten der Verbraucher mit einer Neufassung der Pauschalreise-Richtlinie aus dem Jahr 1990 Rechnung tragen. Individuell im Internet gebuchte Angebote sollen künftig unter bestimmten Voraussetzungen auch als Pauschalreisen gelten. Der Ministerrat stimmte bereits zu, das EU-Parlament tut dies im Herbst.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)