Syrien: Riskantes Buhlen um Assad

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SYRIA GOVERNMENT ASSAD(c) APA/EPA/SANA HANDOUT/HANDOUT (SANA HANDOUT/HANDOUT)
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Bei Friedensgesprächen wird man auch Teile des Regimes einbinden müssen. Eine Allianz mit Assad könnte aber IS sogar stärken.

Ihr habt die Wahl: Entweder ich regiere in Damaskus oder al-Qaida.“ Diese Propagandabotschaft versucht Syriens Machthaber Bashar al-Assad seit Beginn des Aufstands gegen ihn der Welt zu vermitteln. Nun, nach vier Jahren Krieg, könnte seine Rechnung aufgehen. Vor allem der Aufstieg des sogenannten Islamischen Staats (IS) und die wachsende Zahl syrischer Flüchtlinge, die in Europa ankommen, hat innerhalb der EU-Staaten eine Diskussion darüber entfacht, wie man mit Syriens Regime umgehen soll. Bei einem Besuch im Iran – dem wichtigsten Verbündeten Assads – plädierte Österreichs Außenminister, Sebastian Kurz, nun für „eine Einbindung Assads“ im Kampf gegen den IS. Man dürfe die Verbrechen des Assad-Regimes zwar nicht vergessen, hat Kurz gesagt. Im Kampf gegen den IS stehe Assad aber auf derselben Seite wie der Westen. Langfristig solle Assad aber kein Verbündeter sein.

Bisher war der Kampf des Assad-Regimes gegen den IS nur ein Nebenschauplatz des Bürgerkriegs. Lang hatten Assads Streitkräfte den IS und dessen Vorgängerorganisation „Islamischer Staat im Irak und der Levante“ (Isil/Isis) unbehelligt gelassen, weil der Aufstieg der Jihadistenmiliz dem Regime strategisch ins Konzept passte.

Begonnen hatte der Aufstand gegen Assad im März 2011. Wie zuvor in Tunesien, Ägypten und Libyen gingen nun auch zehntausende Menschen in der Diktatur Syrien auf die Straße. Sie verlangten politische Freiheiten und ein Ende von Nepotismus und Korruption. Assad versprach zunächst Reformen, griff aber bald auf die brutalen Methoden zurück, mit denen sein Clan seit den 1970er-Jahren herrschte: Aktivisten wurden verhaftet und gefoltert, Sicherheitskräfte feuerten mit scharfer Munition auf Demonstranten.

Nun bewaffneten sich auch Teile der Opposition. Offiziere, die Assads Streitkräften den Rücken kehrten, bauten die Freie Syrische Armee (FSA) auf. Aus Straßenprotesten wurde ein offener Krieg, in dem auch extremistische Gruppen mitzumischen begannen.

Zerstörung ganzer Viertel

Mittlerweile hat der Krieg 250.000 Menschenleben gefordert. Vier Millionen Menschen flohen aus Syrien. Innerhalb des Landes sind weitere 7,5 Millionen auf der Flucht. Für den Großteil dieser Opfer ist das Regime verantwortlich.

Assads Streitkräfte haben ganze Stadtteile in Schutt und Asche gelegt. Viertel, die die Rebellen kontrollieren, werden belagert und gezielt zerstört – mit verheerenden Auswirkungen für die Zivilbevölkerung. Es sind vor allem diese schrecklichen Zustände, die in den vergangenen Jahren die meisten Syrer fliehen ließen.

Aber auch die Aufständischen sind für Verbrechen verantwortlich. Und zwischen ihnen tobt ein Krieg im Krieg: Bereits im August 2013 hat der IS-Vorgänger Isil – zur Freude des Regimes – eine Großoffensive gegen alle anderen Rebellenfraktionen gestartet. Und auch heute kämpfen die Freie Syrische Armee und die sogenannte Islamische Front nicht nur gegen Assad, sondern auch gegen den IS.

Die politische Lage in Syrien ist verfahren. Mit der Hilfe des Iran und Russlands kann sich Assad halten. Die zersplitterte Opposition wird von Saudiarabien, anderen Golfstaaten und der Türkei unterstützt. Um eine politische Lösung zu finden, wird man bei Verhandlungen all diese Player einbeziehen müssen – auch Teile des Regimes.

Assad aber ohne vorhergehende politische Lösung als Alliierten in den Kampf gegen den IS einzubinden, wäre riskant: Teile der Rebellen, die ja vor allem Assads Sturz wollen, könnten dadurch in die Arme des IS getrieben werden. Im größte Rebellendachverband, der Islamischen Front, kämpfen moderatere islamistische Brigaden, aber auch jihadistische Einheiten. Noch sind sie Todfeinde des IS, da dieser von allen anderen Gruppen die totale Unterordnung verlangt. Sollten sich aber Teile der Islamischen Front und der al-Qaida-Ableger Jabhat al-Nusra mit IS gegen Assad verbünden, würde das die Stärke des IS dramatisch vergrößern.

Und auch die Regimeangriffe auf Wohnviertel würden weiterhin Tausende in die Flucht schlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2015)

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