Der Geheimplan der UNO zur Beilegung der Syrien-Krise

Frauen halten die Fahne der syrischen Opposition hoch.
Frauen halten die Fahne der syrischen Opposition hoch.REUTERS
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Der Sondergesandte Staffan de Mistura strebt eine Machtteilung zwischen Präsident Assad und der Übergangsregierung an.

Wien/New York. Der Bürgerkrieg in Syrien lässt sich nicht länger ignorieren: Karawanen zehntausender Flüchtlinge führen ihn Europa täglich vor Augen. Das hat Bemühungen zur Beilegung des seit vier Jahren tobenden Gemetzels eine neue Dringlichkeit verliehen. Die Hoffnungen richten sich dabei auf einen Italoschweden ganz vorne an der diplomatischen Front: den UN-Sondergesandten Staffan de Mistura. Mitte August erzielte der 68-Jährige einen ersten kleinen Erfolg: Der bis dahin gespaltene Sicherheitsrat stimmte geschlossen für Misturas neue Friedensinitiative in Syrien.

„Die Presse“ erhielt nun Einblick in den Plan des UN-Sondergesandten. Demnach soll Syriens Präsident, Bashar-al-Assad, in einer ersten Phase weiterhin im Amt bleiben, die Kontrolle über das Militär jedoch bereits an eine Übergangsregierung abgeben. Der Rückzug des Diktators ist erst in einer zweiten Phase vorgesehen. Die Übergangsregierung will Mistura möglichst breit aufstellen – und die Fehler, die im Irak und in Afghanistan gemacht wurden, vermeiden. Für wesentlich hält er deshalb die Aufrechterhaltung staatlicher Institutionen und die Einbindung militärischer Führer, denen mittlerweile angeblich klar ist, dass der Krieg nicht zu gewinnen ist.

Assad freilich will keinen Zentimeter weichen. Er weiß, dass seine alawitische Machtbasis binnen kürzester Zeit zusammenbräche, sobald er eine Übergangsregierung ans Ruder ließe. Den Rücken stärken ihm dabei Russland und der Iran. Beide Alliierten unterstützen ihren Mann in Damaskus großzügiger – und im Falle Moskaus auch offener – denn je mit Rüstungsgütern und Finanzhilfen. Sie fürchten bei einem Sturz Assads, ausgebootet zu werden, und haben noch keinen Nachfolger identifiziert, der ihre Interessen in Syrien besser wahren könnte.

Dennoch dürften Moskau und Teheran ihrem Schützling signalisiert haben, sich aufgeschlossen für neue Friedensgespräche zu geben. Assad setzt indessen darauf, sich als Verbündeter im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) hoffähig zu machen. Das ist insofern bemerkenswert, als es Indizien dafür gibt, dass seine Geheimdienste beim Aufstieg des IS behilflich waren. Jedenfalls hielt sich Syriens Regime monatelang mit Bombardements auf Stellungen der Extremisten zurück.

Saudis wollen nicht mit Iran reden

Der Vormarsch des IS hat Bemühungen zur Beendigung des syrischen Bürgerkriegs Auftrieb verliehen. Eine effektive Bekämpfung der Extremisten ist nach Ansicht Misturas jedoch nur möglich, wenn es eine Lösung für den Syrien-Konflikt gibt. Der Sicherheitsrat jedoch hält die Zeit noch nicht für reif, um über eine Übergangsregierung zu reden. Russland macht die Mauer, lässt die UNO aber vier Arbeitsgruppen bilden, die bis Ende des Jahres Vorschläge über den Schutz syrischer Bürger, militärische Fragen, den Wiederaufbau und eine neue Verfassung vorlegen sollen. Auch eine Kontaktgruppe mit Staaten, die Einfluss in Syrien haben, soll sich formieren. Der UN-Sondergesandte möchte alle Player an Bord haben, doch die Saudis, die Assads islamistische Gegner unterstützen, wollen nicht mit den Iranern am Tisch sitzen.

Und völlig ausgeklammert bleibt vorerst die Königsfrage: Wann geht Assad?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2015)

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