Wie Gery Keszler den Life Ball neu erfinden will

LIFE BALL POSTER 2015: KESZLER
LIFE BALL POSTER 2015: KESZLER(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Die Balance zwischen schriller Party und dem Thema Aids hat offenbar nicht mehr gepasst. 2016 macht der Ball kreative Pause.

Ein gewisser Frust war schon im Mai erkennbar, als Life-Ball-Organisator Gery Keszler vor dem Rathaus in einer sehr emotionalen Rede von der schwindenden Spendenbereitschaft sprach. Im Vorjahr waren bei der Auktion am Nachmittag vor dem Ball binnen einer halben Stunde 700.000 Euro zusammengekommen, heuer nur ein Bruchteil. Frust dürfte sogar untertrieben sein. Stinksauer sei er gewesen, heißt es aus seinem engsten Umfeld.

Schon in den Jahren zuvor hatte Keszler immer wieder einen gewissen Unmut über die Entwicklung „seines“ Balls, den er seit 1993 jedes Jahr ausgerichtet hat, durchklingen lassen. Zu viel Bussi-Bussi, zu viel Sehen-und-gesehen-werden statt Spenden, zu viel Aufmerksamkeit für die Prominenz, deren Aufmachung und Indiskretionen, viel zu wenig aber für sein eigentliches Herzensthema, die Hilfe für HIV-Infizierte und Aids-Erkrankte. Ein Balanceakt zwischen Party und Spendeneintreiben – heuer hat die Balance für den „Mr. Life Ball“ offenbar nicht mehr gepasst.

Nun hat Gery Keszler dem Ball eine „kreative Pause“ verordnet – er wird erst 2017 wieder stattfinden. Dann soll die Veranstaltung „wieder einmal neue Maßstäbe setzen“. Wie er den Ball neu aufstellen will? Dazu hält sich Keszler bedeckt, er hat sich erst einmal aus der Stadt verabschiedet. Schließlich lasse sich neben dem Trubel der jährlichen Organisation eines Events dieser Größe kein neues Konzept erstellen. Während der selbst auferlegten Pause will Keszler nun reflektieren, wie sich der Ball wieder auf den Kern besinnen kann.


Focus auf das Thema Aids. Keszler will dem Ball „mehr Tiefe“ verleihen und an Konzepten arbeiten, wie man das Thema HIV/Aids an ein noch größeres Publikum herantragen könne, auch über den Aufbau eines internationalen Netzwerks wolle er mit Beratern nachdenken. Es gehe darum, die Veranstaltung „in jeder Hinsicht neu zu erfinden und auf die nächste Stufe heben“, sagte Keszler vergangene Woche in einer Video-Botschaft.

Nun wird über etwaige „wahre Hintergründe“ spekuliert. Dass man auch eine sehr erfolgreiche Veranstaltung einfach neu aufstellen kann, das erscheint manchen irgendwie seltsam. Schließlich ist die Geschichte des Life Ball bisher eine, die in Wien ihresgleichen sucht: Keszler hat den Verein Aids Life 1992 mit seinem Freund Torgom Petrosian gegründet. Nachdem Petrosian an Aids erkrankt war, beschlossen seine Freunde, ein Charity-Event zu organisieren. Der Life Ball war geboren. Der erste ging 1993 über die Bühne, die Gästeliste der Benefizgala konnte sich mit Thierry Mugler, Helena Christensen und Vivienne Westwood schon damals sehen lassen.

Ab 1994 war der Hype nicht mehr aufzuhalten: Karten waren binnen Minuten vergriffen, die Spendensummen wurden höher, das Fest immer pompöser, die Gästeliste prominenter: Elton John, Liza Minelli, Sharon Stone, Milla Jovovich, Naomi Campell, Antonio Banderas, Sean Penn, Whoopi Goldberg, Mette-Marit oder David Garrett – und seit der Life Ball mit der Clinton Foundation HIV/Aids Programme (CHAI) kooperiert, ist auch Bill Clinton zum Stammgast geworden. Keszler blieb stets Mastermind hinter dem Ball, der alle Fäden in der Hand behielt, wenig Kontrolle abgeben wollte. Der Life Ball stehe und falle mit der Person Keszler, heißt es. Er selbst aber ließ nicht nur einmal durchklingen, dass er über die Zukunft nachdenke, auch über die der Organisation – und dass er zwar suche, es ihm aber unmöglich sei, einen Nachfolger zu finden sei. Auch ein mögliches Ende hat Keszler immer wieder anklingen lassen – sei es nach Problemen mit behördlichen Auflagen oder Streitereien mit Medien.

Ein Grund für die Frustration zuletzt mag auch der Erlös des Balls sein: Der ist jahrelang gewachsen, zuletzt aber stagniert, während der Aufwand gewachsen ist. Neben dem eigentlichen Ball wurden zahlreiche Side-Events veranstaltet. Zum Beispiel die Aids Solidarity Gala in der Hofburg. Und während bei ähnlichen Charity-Auktionen international Millionen zusammenkommen, war es in Wien nur ein Bruchteil davon.

Der Event habe eine »dementsprechende Dimension«, deshalb möchte er anlässlich des 25. Jubiläums das Erreichte reflektieren, so Keszler. „Ich kann sagen, dass ich durch mein Outing und die darauffolgenden Reaktionen jetzt erst Recht die Kraft und die Motivation für den spannenden Weg habe, der vor uns liegt“, so Keszler, der nun (wieder) hoch motiviert scheint – vielleicht gerade wegen der Aussicht auf die kreative Pause.

Geschichte

1993fand im Rathaus der erste Life Ball statt. Ein „schwuler Aufschrei“ (Zitat Alfons Haider), der Wiener Stadtgeschichte schreiben sollte: Mittlerweile spielt der Life Ball in Sachen internationaler Bedeutung in einer Liga mit Neujahrskonzert oder Opernball.

2015,der emotionalste Ball
für Gery Keszler: Unter Tränen berichtet er in der Eröffnungsrede von seiner HIV-Infektion, kritisiert mangelnde Spendenbereitschaft – und löst Spekulationen um die Zukunft aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2015)

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