Mit der Neuauflage von Rot-Grün hat Bürgermeister Michael Häupl nun vier SPÖ-Politiker aufgewertet – drei Stadträte und ein ehemaliger roter Jungstar erhielten jetzt mehr Macht und Einfluss.
Sandra Frauenberger
Es war 2007, als aus der SPÖ plötzlich neue Töne kamen: Migranten haben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Regeln gelten für alle. Man muss sagen, was ist.

Es war ein Paradigmenwechsel, den Sandra Frauenberger als Integrationsstadträtin einleitete. Bis zu diesem Zeitpunkt galt in der Wiener SPÖ das ungeschriebene Gesetz: Forderungen an Migranten, oder gar Kritik, sind tabu – Integrationsprobleme existieren nicht. Wer dieses Dogma bricht, spielt der FPÖ in die Hände. Oder ist FPÖ-Anhänger. Dass die Realität eine andere ist und gerade mit dem Ignorieren von Problemen die FPÖ-Werte steigen, wurde in der SPÖ bis zum Antritt von Frauenberger ausgeblendet.
Die Arbeitertochter aus Simmering versteckt sich nicht hinter Floskeln und nennt die Dinge beim Namen. Auch wenn es ihrer Partei anfangs nicht gefiel. Sie ist dabei nie polternd oder polemisch. Ihren Job erledigt sie konsequent und (fast zu) sachlich, sodass auch mancher Oppositionspolitiker anerkennende Worte findet. Und nun übernimmt die 49-Jährige zusätzlich das Bildungsressort, das laut SPÖ der Schlüssel zur Integration ist.
Die Gewerkschafterin zählt zum linken Parteiflügel, ist bei den SPÖ-Frauen verankert, arbeitet lieber im Hintergrund und hat im Integrationsbereich durchaus Akzente gesetzt: Bessere Integrationsbegleitung für Migranten, mehr Deutschkurse und ein „Monitor“, um Integration in Wien erstmals objektiv messbar zu machen. (stu)
Ulli Sima

Seit fast zehn Jahren ist Ulli Sima Teil der Wiener Stadtregierung. Und nun wird sie (durchaus etwas überraschend) aufgewertet. Ihr Umweltressort erhält nun die Verantwortung für die Wiener Stadtwerke – Sima betreibt nun ein „Daseinsvorsorge-Ressort“. Denn die Verantwortung für die MA48 (Müll) und Wasserwerke besitzt die ehemalige grüne Aktivistin, die 1999 zur SPÖ wechselte und für die Sozialdemokraten im Parlament saß, bereits. Mit den Stadtwerken kommen Wien Energie, Wiener Linien und die Bestattung hinzu.
Politik kenne die Kärntnerin, die auffallend oft und gerne aus den Zeitungen lächelt, aus dem Elternhaus – kommt sie doch aus einer prominenten sozialdemokratischen Familie. Ihr Großvater Hans Sima hat 1945 die SPÖ Kärnten mitbegründet und war 1965 bis 1974 Kärntner Landeshauptmann. Ihre politische Karriere begann die Molekularbiologin bei der Österreichischen Hochschülerschaft.
Heikle Themen, die einer politischen Bewährungsprobe entsprechen, hatte Sima in ihrer Karriere kaum. Außer dem hoch emotionalen Hunde- und Hundekot-Thema, das den gewöhnlichen Wiener mehr erregt als Verkehr und Ausländer zusammen. Und an dem Generationen von Stadträten scheiterten. Mit dem Kampfhunde-Führerschein und dem Kampf gegen Hundekot (Stichwort: Wastewatcher etc.) hat Sima dieses emotionale Thema für Häupl, ohne groß Wellen zu schlagen, entschärft. (stu)
Andreas Mailath-Pokorny

Er ist eine herausragende Persönlichkeit: Mit diesem alten Kalauer beginnen die meisten Porträts über den rund zwei Meter großen Politiker, der seit 2001 Wiener Kulturstadtrat ist. Nun erfährt er eine Aufwertung, die für viele aber etwas seltsam anmutet. Der Stadtrat, der ebenso für Wissenschaft zuständig ist und wie Umweltstadträtin Ulli Sima keinerlei Scheu vor Medien aufweist, erhält nun zusätzlich das Sportressort von Stadtrat Christian Oxonitsch, der roter Klubchef wird. Ganz konnte Häupl diese durchaus kreative Ressortkombination nicht erklären, Fakt ist aber: Mailath-Pokorny erhält mehr Verantwortung, die sein Leben nicht einfacher macht. Immerhin erbt der Ex-Mitarbeiter im Kabinett des damaligen Kanzlers Franz Vranitzky mit dem Sportressort auch die Querelen und Gerichtsprozesse rund um die gescheiterte Sanierung des Wiener Stadthallenbades. Und in diesem Prozess sieht es für die Stadt derzeit nicht gut aus.
Die Aufwertung dürfte für den Ex-Sektionsleiter für Kulturangelegenheiten im Bundeskanzleramt (1996–2001) und Präsident des BSA (Bund Sozialdemokratischer Akademiker) nicht nur deshalb eine kleine Enttäuschung sein – hatte er dem Vernehmen nach bereits eifrig für die Rolle als Kultur- und Bildungsstadtrat geübt. Doch die Bildung ging an Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger, Mailath-Pokorny blieb nur das problematische Sportressort. (stu)
Jürgen Czernohorszky
Vor langer Zeit wurde ein gewisser Jürgen Wutzlhofer als heiße Aktie der Wiener SPÖ gehandelt. Als Zukunftshoffnung, „aus der einmal sicher etwas wird“, hieß es. Immerhin: Die Wiener SPÖ hatte bereits damals, 2001, nicht gerade einen Überschuss an jungen, frechen, selbstbewussten und rhetorisch erfrischenden Nachwuchspolitikern, die nicht wie Politiker klangen und denen eine große Karriere vorhergesagt wurde.

Die rote Freude an dem Jungstar, der geradeheraus sagte, was er sich dachte, kühlte in der Partei schnell ab – nachdem er öfters zu offen und entspannt über Drogenliberalisierung und andere heikle Themen philosophierte. Danach wurde es ruhig um ihn, er werkte still und diszipliniert in der Partei, bis Bürgermeister Michael Häupl am Samstag die amtierende Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl überraschend ablöste und den 38-jährigen Czernohorszky präsentierte, der bei seiner Heirat den Namen seiner Frau angenommen hatte.
Die Karriere des Steirers begann 1995 an der Uni Wien. Er wurde Bundesvorsitzender des VSStÖ (des roten Studentenvereins), 2001 zog er als Jugendsprecher in den Gemeinderat ein. Czernohorszky engagiert sich seit Langem im Jugendbereich und wurde von Christian Oxonitsch gefördert. Immerhin ist der jetzige Ex-Bildungsstadtrat Bundesvorsitzender der Kinderfreunde, Czernohorszky sein Bundesgeschäftsführer. (stu)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2015)