Kim Jong-un hat sich selbst ein strahlendes Geburtstagsgeschenk bereitet. Intern geht er mit eiserner Hand vor.
In seiner Neujahrsansprache betete Kim Jong-un die gewohnte Leier vom Blatt. Er versprach den Nordkoreanern eine Verbesserung des Lebensstandards, und er drohte dem verfeindeten Brudervolk im Süden mit einem „Heiligen Krieg“. Die große Überraschung aber hob sich der Jung-Diktator auf, gleichsam als besonderes Präsent anlässlich seines 33. Geburtstags am heutigen Freitag. Schon vor ein paar Wochen hatte er von der Entwicklung einer Wasserstoffbombe schwadroniert, Mittwochfrüh verbreitete der erfolgreiche Test einer angeblichen Minibombe politische Schockwellen von Peking über Tokio bis nach Washington.
In einem Statement, das das staatliche Fernsehen publik machte, ließ sich Kim die kleine Sensation auf der Zunge zergehen: „Lasst uns das Jahr 2016 mit dem aufregenden Geräusch unserer ersten Wasserstoffbombenexplosion beginnen, damit die ganze Welt aufschauen wird zu unserer sozialistischen, atomar bewaffneten Republik und der großartigen Arbeiterpartei Koreas.“ Daraus sprach, in Anspielung auf den Protagonisten in der gleichnamigen Stanley-Kubrick-Satire, die bizarr-moderne Version des Dr. Strangelove.
Dass China, der engste Verbündete des Regimes in Pjöngjang, nicht vorgewarnt war, wirft ein Schlaglicht auf die Alleingänge des erratischen Diktators, der in seiner vierjährigen Amtszeit noch keine einzige Auslandsreise absolviert hat – weder zum „großen Bruder“ nach Peking noch nach Moskau. Die Teilnahme bei der Militärparade zum 70-Jahr-Jubiläum des Siegs der Roten Armee über Nazi-Deutschland am Roten Platz im vorigen Mai sagte Kim ab – aus Angst vor Unruhen und Instabilität im eigenen Land, wie Nordkorea-Experten spekulierten. Tatsächlich ließ der Diktator mit dem Babyspeck-Gesicht im Mai eine Reihe prominenter Generäle hinrichten, darunter den Vizepremier und den Verteidigungsminister – Letzteren zu Abschreckungszwecken mit einem Luftabwehrgeschütz. Mit gnadenloser Härte ging er auch gegen seine Exgeliebte, eine Sängerin, vor.
Für die größte Furore sorgte indessen die Exekution seines Onkels Jong Sang-taek, des Schwagers Kim Jong-ils und der Nummer zwei des Regimes im Dezember 2013. Nach dem Tod Kim Jong-ils zwei Jahre zuvor hatte ihn Jong anfangs unter seine Fittiche genommen, ehe er als Vermögensverwalter der Dynastie und der Sonderwirtschaftszone in Ungnade fiel. Als Kim Jong-un im Spätsommer 2014 für 40 Tage von der Bildfläche verschwand, tauchten prompt Gerüchte über einen Machtkampf in Pjöngjang auf. Sie verstummten erst, als sich der übergewichtige und kleinwüchsige Despot mit der modisch kühnen Topffrisur vermutlich nach einer Operation mit einer Krücke wieder in der Öffentlichkeit zeigte. Bei der Eröffnung von Technologieparks, Zoos oder Skigebieten pflegt er das Image des visionären Führers, von der Propaganda in Szene gesetzt.
Eigene Uhrzeit
Der Sohn einer japanischstämmigen Tänzerin genoss Schweizer Schulbildung, in Bern entwickelte er ein Faible für Comics und Basketball, insbesondere für den NBA-Superstar Michael Jordan. Den abgehalfterten NBA-Star Dennis Rodman ließ er vor zwei Jahren zu einem Showspiel eigens einfliegen. Weil der ältere Bruder als zu „weibisch“ galt, erkor sein Vater ihn schließlich zum Erben. An der Militärakademie in Pjöngjang erhielt er seinen Schliff, binnen weniger Jahre avancierte er zum Viersternegeneral und zuletzt zum Marschall.
Seine Macht dürfte der dritte Kim – nach Kim Il-sung, dem Gründervater, und Kim Jong-il, dem „geliebten Führer“ – nach mehreren „Säuberungen“ im inneren Zirkel inzwischen konsolidiert haben. Der Vater einer Tochter gilt als mindestens so exzentrisch und unberechenbar wie sein Vater. Im August ließ er die Uhr eine halbe Stunde vordrehen, um sich mit einer eigenen Zeitzone so von der früheren Kolonialmacht Japan abzusetzen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2016)