Südostasien: "Rabiate Mittelschicht" träumt vom starken Mann

Duterte will ein „starker Führer“ sein.
Duterte will ein „starker Führer“ sein.(c) REUTERS (ERIK DE CASTRO)
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Nach dem Sieg von Rodrigo Duterte bei der Präsidentenwahl könnte eine autoritäre Wende auf den Philippinen drohen. Das folgt einem Trend: In immer mehr Staaten der Region ist die Demokratie auf dem Rückzug.

Er werde „das System umkrempeln“, tönte der designierte philippinische Präsident, Rodrigo Duterte, gleich am ersten Tag nach seinem fulminanten Wahlsieg. Kurz davor hatte er gewarnt, dass unter seiner Herrschaft korrupte Beamten „zurücktreten oder sterben“ müssten. Und im Wahlkampf hatte er immer wieder damit gedroht, das Parlament aufzulösen, sollte es nicht helfen, das „Land aufzuräumen“.

Der Bürgermeister von Davao City hat mit derben Sprüchen und Law-and-Order-Politik gepunktet. Ganz offen hat der 71-Jährige dabei Grundpfeiler des Rechtsstaats infrage gestellt – und einen Nerv getroffen: Trotz der Erfolge der Demokratie im südostasiatischen Inselstaat, wie ein robustes Wirtschaftswachstum und massive Auslandsinvestitionen, haben sich die Philippiner deutlich für den „starken Mann“ ausgesprochen, der keinen Hehl aus seiner Bewunderung für die Marcos-Diktatur gemacht hat.

Mit der Sehnsucht nach einer Politik der harten Hand liegen die Philippinen im regionalen Trend: In mehreren Ländern Südostasiens, in denen sich in den vergangenen Jahrzehnten die Demokratie durchgesetzt hat, ist eine Rückkehr zu autoritären Systemen zu verzeichnen (oder der Wunsch danach): In Malaysia und Kambodscha festigen die jeweiligen Premierminister durch immer brutalere Unterdrückung von Opposition und Kritikern ihre Macht. In Thailand beendete das Militär 2014 mit einem Putsch ein demokratisches Interregnum, das fast 17 Jahre gedauert hatte: Die Generäle schritten nach einer monatelangen Dauerkrise zwischen zwei verfeindeten politischen Lagern ein, die das Land zum Stillstand gebracht hatte. Und in Indonesien macht die armeenahe oppositionelle Golkar-Partei mit ihren Rufen nach einer härteren Führung dem amtierenden Präsidenten, Joko Widodo, das Regieren schwer.

„Verdeckte Oligarchien“

Der Wunsch nach dem starken Mann sei besonders in „wirtschaftlich boomenden Länder mit dysfunktionalen Demokratien“ groß, analysiert Politologe Julio Teehankee von der De La Salle University in Manila in einem Aufsatz. Demokratien, in denen Institutionen im Interesse der Eliten agieren und in denen Korruption weit verbreitet ist: Der Experte spricht von „verdeckten Oligarchien“, die Teile der Bevölkerung ausgrenzen: Auf den Philippinen fließen 76 Prozent des produzierten Reichtums in die Taschen der 40 reichsten Familien.

Bezeichnenderweise fühlen sich in vielen südostasiatischen Ländern die Mittelschichten vom System verraten – und laufen „starken Männern“ in die Arme: „Die rabiate Mittelklasse ist eine wachsende Gegenelite, die sich von der Machtelite abgrenzt“, so Teehankee. So hat Duterte Fans vor allem unter Kleinunternehmern, die für endemische Probleme wie Korruption, Kriminalität, Luftverschmutzung und nicht funktionierende Dienstleistungen der „imperialen Kaste“ in Manila die Schuld geben.

In Thailand hingegen wurde der Putsch von der urbanen, oberen Mittelschicht unterstützt, die sich während der Regierung des Magnaten Thaksin Shinawatra und später seiner Schwester diskriminiert fühlte: Tatsächlich bedienten sie vor allem ihre Klientel aus der unteren, ländlichen Mittelschicht. In Malaysia bringt indes der Premier Richter zum Schweigen, die ihm vorwerfen, öffentliche Gelder auf Privatkonten verschwinden zu lassen. Und in Indonesien schwärmt die alte Garde offen von den „guten alten Zeiten“ der Suharto-Diktatur – in der Hoffnung, irgendwann wieder den größeren Teil des Kuchens abzubekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2016)

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