Tag eins nach der neuen Gesetzesnovelle: Die starke Polizeipräsenz drängt Drogenhändler nun offenbar auch effektiv aus dem Stadtbild. Wie lang und wohin, das werden allerdings erst die nächsten Tage zeigen.
Wien. Das Bild hat Symbolkraft. In der Ladenzeile auf dem Bahnhof Praterstern steht Mittwochmittag regungslos und breitbeinig ein Zwei-Meter-Hüne in Uniform wie ein Fels in der Brandung. Die Rechte auf dem Griffstück der geholsterten Dienstwaffe, die Linke am Ende des im Einsatzgurt sitzenden Schlagstocks abgestützt, teilt der Polizist den dichten Passantenstrom. Draußen, rund um die Schnellbahn-Problemstation, tritt die Bereitschaftseinheit in Gruppenstärke auf. Wiens Exekutive zeigt neuerdings wieder Stärke.
Konkret läuft bereits seit 20. Mai eine Schwerpunktaktion gegen Straßenkriminalität an neuralgischen Punkten. Damit sind sowohl das Umfeld der U-Bahn-Linie U6 zwischen Westbahnhof und Handelskai als auch – siehe oben – der Praterstern gemeint. Ziel ist es, den überbordenden und in aller Öffentlichkeit ausgeübten Drogenhandel großteils nordafrikanischer Tätergruppen zu zerschlagen. Seit Mittwoch besteht Hoffnung, damit auch einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen: Mit 1. Juni wurde es mit der Reparatur eines missglückten Gesetzes wieder leichter, Kleindealer in Untersuchungshaft und damit rasch weg von der Straße zu bringen.
Das war zuletzt anders. An einem Imbissstand nahe der U6-Station Thaliastraße erzählen die Verkäuferin und zwei ihrer Gäste, „dass das zuletzt bitter für die Polizisten gewesen sein muss“. Regelmäßig seien Farbige hier wegen Drogenhandels festgenommen worden. Nur, um kurze Zeit später – „manchmal binnen einer Stunde, ich schwör's“ – genau wieder an derselben Stelle aufzutauchen.
Die U6 und der Gürtel wirken derzeit wie ein Aufmarschgebiet für Polizisten, aber auch für U-Bahn-Aufseher. In fast allen Stationen stehen Mitarbeiter der Wiener Linien in Warnwesten, die Grünflächen entlang der Straße sind mit Mannschaftswagen der Polizei verstellt, dazwischen streifen uniformierte Trupps. An der Ecke Gürtel/Lerchenfelder Straße späht kurz ein wie ein US-Gangsta-Rapper Gekleideter um die Ecke und verschwindet spurlos in den Gassen.
Verdrängen ja, lösen nein
Die massive Präsenz der Staatsgewalt wirkt. Dort, wo sonst offensichtlich zur Dealerszene gehörende Personen die Platzhoheit gehabt haben, herrscht inzwischen wieder der übliche Passantenverkehr. Eine Bilanz in Zahlen will die Polizeispitze zwar frühestens am Donnerstag vorlegen, allerdings gibt es innerhalb des Apparats bereits Informationen aus Inspektionen, dass insbesondere die Gruppenbildung der Dealer fast vollständig zum Erliegen gekommen ist.
Warum? Darüber rätseln die Einsatzleiter noch. Behördensprecher Paul Eidenberger nennt das Kind beim Namen: „Neue gesetzliche Möglichkeiten und Haftstrafen beeindrucken diese Leute normalerweise nicht sonderlich.“ Es sei durchaus möglich, dass die Szene die Lage derzeit einfach nur beobachte und dann entscheide, wie es weitergehen solle.
Bei den Beamten – egal, ob uniformiert, zivil oder gar verdeckt – macht man sich keine Illusionen darüber, dass Sondereinsätze wie der aktuelle das Dealerproblem lösen. Die Strategie dahinter ist aber, „die Szene mobil zu halten, zu verdrängen und dort, wo sie als Nächstes auftaucht, wieder mit Kontrolldruck hineinzustoßen“. Das bedeutet viel Arbeit, trifft die Szene jedoch dort, wo es wehtut: beim Geld. Jeder Ortswechsel führt zum Verlust von Kunden. Die Hoffnung ist, dadurch das Problem zumindest beherrschbar zu machen.
Pro Monat sind für das Sonderprogramm in Wien bis zu 25.000 Überstunden genehmigt. Das entspricht Mehrkosten in der Höhe von 750.000 Euro.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2016)