EU-Gegner erobern die Führung zurück

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Das Einwanderungsthema scheint zu greifen – selbst der Fußball wird materialisiert.

London. Die EU-Volksabstimmung in Großbritannien am 23. Juni wird zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen. Nachdem in der Vorwoche das Lager der EU-Anhänger deutlich in Führung lag, sind nun wieder die Gegner voran: Bei einer im „Guardian“ veröffentlichten Befragung steht es aktuell 52 zu 48 Prozent für den Austritt aus der EU. Das Ergebnis ist insofern bemerkenswert, als erstmals die Ergebnisse von Telefon- und Internetbefragungen deckungsgleich sind. „Dieses Resultat bringt Annahmen, die wir als Tatsachen akzeptiert haben, ins Wanken“, sagt Martin Boon vom Institut ICM. Bisher hatten die EU-Befürworter in Telefonumfragen einen Vorsprung von zehn Prozentpunkten und mehr.

Dass sich mehr Menschen im direkten Gespräch als EU-Gegner deklarieren, gibt dem Selbstvertrauen der Brexit-Anhänger Auftrieb. Sie haben die EU-Befürworter im Spendensammeln hinter sich gelassen: Während die Anhänger der Union fast eine Millionen Pfund aus privaten Zuwendungen bekommen haben, sind es bei den Gegnern fast vier Millionen.

Staat zu Neutralität verpflichtet

Auftrieb erhoffen sich die Gegner auch davon, dass in den letzten Wochen der Auseinandersetzung der Staatsapparat zu strikter Neutralität verpflichtet ist – das Brexit-Lager füllt diesen Raum mit einer Fokussierung auf das Thema Einwanderung. Ein Werbespot von „Vote Leave“ zeigt zwei Krankenhauswartezimmer: Innerhalb der EU herrscht Überfüllung und endloses Warten, während außerhalb der Patient gleichsam auf Händen getragen wird. Auffällig: Das Wartezimmer in der EU ist voller offensichtlich ausländischer Menschen, die außerhalb der Union verschwunden sind – und mit ihnen endlose Wartezeiten. In einem weiteren Werbespot versucht das Brexit-Lager, die Fußballeuropameisterschaft für sich zu nützen. Wer alle 51 Spiele des Turniers richtig tippt, kann 50 Mio. Pfund gewinnen. Das ist angeblich der Betrag, den Großbritannien pro Tag nach Brüssel überweist. (gar)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2016)

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