Der fortgeführte Abwehrkampf

Der Ortstafelkonflikt – eine unendliche Geschichte verpasster Chancen. Lösen kann ihn nur die Politik.

Beginnen wir 1918: Auch das neue südslawische Königreich, der SHS-Staat (Kraljevina Srba, Hrvata i Slovenaca), wollte sich einen Teil Österreichs einverleiben, den Südkärntner Raum. Kärntner Verbände, auch mit Unterstützung aus Restösterreich, stemmten sich im „Abwehrkampf“ dagegen. Man kann ihn auch als einen Kampf der jungen Republik gegen ein autoritäres Regime sehen. Die Amerikaner setzten letztendlich eine Volksabstimmung durch, Kärnten blieb ungeteilt, auch dank der Stimmen vieler Kärntner Slowenen. 1945 versuchten es die mittlerweile kommunistischen Jugoslawen noch einmal. Doch die Briten waren schneller im Land und verhinderten die Besetzung Südkärntens durch Titos Truppen. Statt eines Haider-Museums hätte man in Kärnten eigentlich längst eine Winston-Churchill-Statue errichten sollen.

Aus diesen dunklen Zeiten rührt die viel beschriebene Kärntner „Urangst“. Geschürt vom jugoslawischen Geheimdienst auch nach dem Zweiten Weltkrieg, der mit Bombenanschlägen Kärnten zu destabilisieren versuchte. Auch aus dieser Unsicherheit heraus sahen viele Deutschkärntner die Kärntner Slowenen als Fünfte Kolonne des kommunistischen Jugoslawien im eigenen Land – obwohl ein Großteil der Slowenen genauso konservativ war wie sie selbst. Und sie enthielten ihnen ein Recht vor, das den Slowenen im Staatsvertrag von 1955, mit dem Österreich seine volle Unabhängigkeit wiedererlangte, zugesichert worden war: jenes auf Ortstafeln in slowenischer Sprache.

Dies war auch möglich, da im Staatsvertrag kein genauer Prozentsatz festgelegt war, ab welchem Anteil slowenischsprachiger Bevölkerung zweisprachige Ortstafeln aufzustellen seien. 1972 beschloss die Regierung Kreisky dann die Aufstellung in Ortschaften mit zumindest 20 Prozent Slowenenanteil. Im „Ortstafelsturm“ wurden die Schilder von aufgebrachten Einheimischen jedoch wieder hinweggefegt. Im Volksgruppengesetz von 1976 wurde ein Slowenenanteil von 25Prozent festgelegt, doch nicht alle der verordneten 91 Tafeln wurden auch aufgestellt. 2001 hob dann der Verfassungsgerichtshof die 25-Prozent-Regelung als zu hoch auf, setzte aber keine neue fest, da er das gar nicht kann.

Denn lösen kann den Ortstafelkonflikt nur die Politik, indem sie eine verbindliche Prozentregelung festlegt. Einmal war es fast schon so weit. Nachdem ein Vorschlag – 148 zweisprachige Ortstafeln – 2002 von den Slowenenvertretern abgelehnt worden war, versuchte es der damalige Kanzler Schüssel 2006 noch einmal: Nun sollten es 141 Tafeln bis 2009 sein, alle Beteiligten waren dafür. ÖVP und BZÖ beschlossen bereits die Aufstellung zweisprachiger Tafeln in 93 Gemeinden – darunter auch in Bleiburg und Ebersdorf, wo Jörg Haider und Gerhard Dörfler wenige Monate zuvor noch die Tafeln verrückt hatten, ein Umstand, der nun wieder für heftige Debatten sorgt. Doch dann das übliche Trauerspiel: Im BZÖ-Milieu regte sich Unmut, Haider bekam kalte Füße, provozierte die Slowenenorganisationen, zwei (von drei) zogen sich gekränkt zurück, und die SPÖ, die ihr Verhalten an jenes der Slowenen geknüpft hatte, verweigerte die Zustimmung zum notwendigen Verfassungsgesetz.

Seither ist nichts Wesentliches mehr geschehen. Das Positivste, das sich noch sagen lässt, ist, dass in der Konsensgruppe, welche die oben erwähnten Kompromisse vorbereitete, ehemals erbitterte Gegner wie Heimatdienst-Obmann Josef Feldner und Zentralverband-Chef Marjan Sturm zueinanderfanden.

Auch wenn Landeshauptmann Dörfler nun abermals angezeigt wurde – die Justiz wird den Ortstafelkonflikt nicht lösen können. Die Politik muss ein neues Volksgruppengesetz entwerfen, das verfassungsrechtlich hält. SPÖ, ÖVP und die Grünen könnten dies in Wien beschließen. Doch realpolitisch empfiehlt sich, das Kärntner BZÖ einzubinden. Gerhard Dörfler könnte über die Landesgrenzen hinweg berühmt werden, würde er über seinen Schatten springen. Doch er traut sich nicht. Wie sich auch Jörg Haider nie traute. Er kümmerte sich zwar im Stillen um seine Slowenen, sang ihre Lieder und tanzte auf ihren Festen, aber das Zugeständnis zweisprachiger Ortstafeln wollte er nicht machen.

Die Mehrheitsbevölkerung sei noch nicht so weit, sag(t)en Haider und seine Erben stets mit Blick auf die eigenen Wahlergebnisse. Die Mehrheitsbevölkerung sei längst so weit, sagen hingegen Politiker anderer Parteien, Künstler oder Unternehmer. Wer da nun wirklich richtig liegt, lässt sich im Kärnten des Jahres 2009 schwer sagen. So ernüchternd das auch klingen mag.

Neue Anzeige gegen Gerhard Dörfler Seite 2

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2009)

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