Leo Wallner hat wieder einmal vergessen, rechtzeitig zu gehen. Jetzt geht er als tragische Figur. Dabei hat kaum einer so viel für den Sport getan wie er.
Nur einmal hätte er beinahe die Contenance verloren. Im Juli 2006. Damals hatte Leo Wallner aus der „Presse“ erfahren, dass die Regierung eine Liberalisierung des Glücksspielmonopols plante. Er, der mächtige Casinos- und Lotteriengeneral, war übergangen, hinter seinem Rücken waren Entscheidungen getroffen worden. Das hatte es zuvor nie gegeben. Denn das Strippenziehen im Spannungsfeld der Wirtschaft, der Politik und des Sports, das war allein sein Metier.
Wallner brauchte zwar nur wenige Tage, um das Vorhaben der ÖVP-BZÖ-Regierung zu Fall zu bringen. Doch er wusste, dass seine Macht am Erlöschen war. Er war nicht rechtzeitig gegangen. Wenige Wochen später stand Karl Stoss als sein Nachfolger fest. Der „Herr der Spiele“, wie er in einer Biografie anlässlich seines 70.Geburtstags tituliert wurde, hatte ausgespielt.
„Wer zu spät geht, den bestraft das Leben.“ Dieser abgewandelte Gorbatschow-Spruch trifft auf Wallner nun in doppelter Hinsicht zu. Auch als Präsident des Österreichischen Olympischen Comités (ÖOC) ist er zu spät gegangen. Nun tritt Wallner bestenfalls als tragische Figur ab. Und das letzte Bild bleibt hängen in der Wahrnehmung des Betrachters. Schlimmstenfalls wird Wallner weiter mit den Unregelmäßigkeiten im ÖOC und bei der Bewerbung für die Winterspiele 2014 in Salzburg in Zusammenhang gebracht werden. Schlimmstenfalls wird aus einer tragischen eine dubiose Figur.
Das Bild des eleganten, schlanken Herrn im Maßanzug ist längst beschädigt. Der Gentleman, dem immer absolute Seriosität und Redlichkeit attestiert wurde, muss sich nachsagen lassen, möglicherweise von undurchsichtigen Zahlungen gewusst zu haben.
Sohn eines Holzhändlers
Der 1935 als Sohn eines Holzhändlers geborene Amstettner wusste allerdings schon als Student, wie man Netzwerke aufbaut. Über den Cartellverband kam er in die Politik, wurde 1964 wirtschaftspolitischer Berater des ÖVP-Kanzlers Josef Klaus. Als Wallner sich 1968 entschied, die liederlichen, heruntergewirtschafteten Casinos Austria zu übernehmen, entfuhr Klaus der Satz: „Du gehst in ein furchtbares Unternehmen, ich will dich nie wieder sehen.“
Wallner machte die Casinos zu einem prosperierenden, seriösen Unternehmen. Gleichzeitig avancierte er zum bedeutendsten Sportförderer Österreichs. Denn das Sporttoto-Gesetz verpflichtete den Monopolisten, einen Teil der Umsatzerlöse für die Sportförderung bereitzustellen.
Wallner baute die Sportförderung aus. Mit der Einführung des Lottos im Jahr 1986 erhielt der Sport plötzlich Geldsummen, von denen man zuvor nicht einmal träumen konnte. Heuer steuern die Lotterien 71,3 Millionen Euro für den Sport bei.
„Er hat Unglaubliches geschafft– nämlich so weit oben zu stehen und trotzdem keine Feinde zu haben.“ Friedrich Stickler sagte dies zu Wallners 70.Geburtstag. Wenige Monate später bei den Winterspielen 2006 in Turin kam es zur Dopingaffäre im Österreichischen Skiverband (ÖSV). Wallner ging auf Konfrontationskurs zum ÖSV – und wusste plötzlich, was es heißt, Feinde zu haben. Damals wurde jener Unfrieden gestiftet, der das ÖOC nun in die Tiefe reißt. Jetzt springt Wallner ab. Jetzt, wenn schon alles am Boden ist. Glosse Seite 33
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2009)