2015 versprach der Krankenanstaltenverbund, dass Dienstplanmodelle „unter Einbindung aller Ärzte“ erstellt werden. Für die Ärztekammer der Beweis einer „glatten Lüge“.
Wien. Der Konflikt zwischen dem Krankenanstaltenverbund (KAV) und den Wiener Spitalsärzten um die Umsetzung des neuen Arbeitszeitgesetzes steuert ungebremst auf eine Eskalation zu. Die Wiener Ärztekammer verteidigt in großen Zeitungsinseraten ihre geplanten Protestmaßnahmen – die auch einen Warnstreik sowie eine Demonstration am 12. September beinhalten.
Die Gesundheitsversorgung in der Stadt, so heißt es in dem offenen Brief von Kammer-Präsident Thomas Szekeres, werde „weiter heruntergefahren“. KAV-Generaldirektor Udo Janßen wiederum wirft Szekeres die Verbreitung von „falschen Informationen zur Anfeuerung ihrer Proteste“ vor und forderte vergangene Woche die Ärzteschaft in einem Brief auf, sich an dem geplanten Streik nicht zu beteiligen.
„Keine Vorgabe an die Abteilungen“
In Erklärungsnot könnte Janßen nun eine 39-seitige Broschüre bringen, die der KAV im Mai 2015 zur Bewerbung des neuen Arbeitszeitgesetzes herausgebracht hat, und in der auch Nacht- und Schichtdienste zur Sprache kommen. Konkret ist dort auf Seite 33 zu lesen, dass die „25-Stunden-verlängerten-Dienste und die 12,5-Stunden-Nachtdienste gleichwertige Modelle der Dienstplangestaltung sind“.
Es gebe „bei verlängerten Diensten keine Vorgabe an die Abteilungen bezüglich ihres jeweiligen Dienstplanmodells. Es soll und wird keinen Schichtdienst geben.“ Und weiter: „Welches Dienstplanmodell auf welcher Abteilung zum Einsatz kommt, soll in der jeweiligen Abteilung unter Einbindung aller Ärzte erarbeitet werden und muss zwischen Abteilungsvorstand, lokaler Personalvertretung und ärztlicher Direktion beschlossen werden.“
Für Szekeres sind diese Ankündigungen der „wiederholte Beweis“ dafür, dass der KAV nicht Wort hält. „Deswegen wollen die Ärzte streiken. Weil der KAV lügt und sich an keine Abmachungen hält“, sagt Szekeres. „In der Broschüre steht unmissverständlich, dass Nachtdienstreduktionen nur mit Zustimmung der Ärzte erfolgen, im Juli wurden sie aber einfach angeordnet.“
Dass sich der KAV „nicht an die Vereinbarungen hält“, findet auch Anna Kreil, stellvertretende Obfrau der Ärztegewerkschaft Asklepios. „Insgesamt fehlt bereits ein Drittel der ärztlichen Arbeitszeit bei steigendem Patientenaufkommen. Das bedeutet eine dramatische Verkürzung der Zeit, die für die Patienten aufgebracht werden könnte“, sagt Kreil. „Die Notaufnahmen funktionieren nicht ausreichend, die Ausbildung junger Kollegen ist nicht mehr möglich und ein Schichtbetrieb, der noch vor einem Jahr negiert wurde, wird gegen den Willen der Mitarbeiter eingeführt.“
Keinen Widerspruch zwischen den Angaben in der Broschüre und der Umsetzung in den Dienstplänen sieht hingegen der KAV auf Nachfrage. Hier liege eine „Missinterpretation durch die Ärztekammer“ vor. Im KAV gebe es Rahmenbedingungen. Die konkrete Umsetzung in den Dienstplänen werde in den Abteilungen gemeinsam erarbeitet.
Nachtdienste als Zankapfel
Die vom KAV angekündigte Streichung von 40 Nachtdiensträdern (von insgesamt 350) in den Wiener Gemeindespitälern mit 1. September ist nämlich einer der Knackpunkte des anhaltenden Konflikts. Zudem soll rund die Hälfte der restlichen Dienste in 12,5-Stunden-Schichtdienste (statt wie bisher 25-Stunden-Dienste) umgewandelt werden. Diese Dienste werden von den meisten Ärzten abgelehnt, weil ihrer Meinung nach unter den vielen Dienstübergaben, bei denen es zwangsläufig zu Informationsverlusten kommt, die Patientenversorgung leidet. Das ist laut Kammer ein „entgegen der Vereinbarung von 2015 ein mit der Ärzteschaft nicht abgestimmtes Vorgehen“.
Szekeres: „Diese Maßnahmen sind vom KAV ohne vorherige Evaluation oder Diskussion mit den betroffenen Abteilungen beschlossen worden. Damit wird das System kaputtgespart. Denn dadurch ist eine durchgehende effiziente ärztliche Betreuung während der Nacht nicht mehr gewährleistet.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2016)