Folge 15. Hannes Z. stand seit 1.1.2000 bei der A. GmbH in einem Dienstverhältnis. Das Dienstverhältnis endete aufgrund des Ausspruches der Entlassung am 15.8.2016, nachdem Hannes Z. ab dem 9.8.2016 nicht mehr zum Dienst erschien.
Hannes Z. hat sich allerdings bei einem Sportunfall das vordere Kreuzband gerissen und konnte daher seiner Arbeit nicht nachgehen. Er hat seinem Arbeitgeber aber keine Krankenstandsbestätigung übermittelt und er war für die A. GmbH auch nicht erreichbar. Hannes Z. begehrt nun von seinem Arbeitgeber Entgeltfortzahlungsansprüche für die Dauer seines Krankenstands sowie beendigungsabhängige Ansprüche (unter anderem Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsersatzleistung) aufgrund des Ausspruchs einer ungerechtfertigten Entlassung. Die A. GmbH wendet nun ein, dass Hannes Z. den Ausspruch der Entlassung mitverschuldet habe. Ist der Einwand der A. GmbH berechtigt?
Kein Entgeltfortzahlungsanspruch
Ist ein Angestellter nach Antritt des Dienstverhältnisses durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er grundsätzlich seinen Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen. Beruht die Dienstverhinderung beispielsweise auf einen Arbeitsunfall, so verlängert sich die Frist von sechs Wochen um die Dauer der Dienstverhinderung, höchstens jedoch um zwei Wochen.
Der Anspruch auf das Entgelt beträgt, wenn das Dienstverhältnis fünf Jahre gedauert hat, jedenfalls acht Wochen; es erhöht sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn es fünfzehn Jahre, und auf zwölf Wochen, wenn es fünfundzwanzig Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch je weitere vier Wochen behält der Angestellte den Anspruch auf das halbe Entgelt.
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, ohne Verzug die Arbeitsverhinderung dem Arbeitgeber bekanntzugeben und auf Verlangen des Arbeitgebers, das nach angemessener Zeit wiederholt werden kann, eine Bestätigung der zuständigen Krankenkasse oder eines Amts- oder Gemeindearztes über Ursache und Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Kommt der Arbeitnehmer einer seiner Mitteilungs- oder Nachweispflichten nicht nach, so verliert er für die Dauer der Säumnis den Anspruch auf Entgelt. Zu einem (vorübergehenden) Verlust des Entgelts kommt es auch, wenn wesentliche Elemente der Krankenstandsbestätigung fehlen (zB die voraussichtliche Dauer des Krankenstandes).
Im Ausgangsfall hat Hannes Z. seinem Arbeitgeber nicht mitgeteilt, dass er seinen Dienst nicht verrichten kann. Er hat auch seinem Arbeitgeber keine Krankenstandsbestätigung vorgelegt. Da er seinen Mitteilungs- und Nachweispflichten nicht nachgekommen ist, hat er somit für die Dauer seiner krankheitsbedingten Abwesenheit vom Dienst keinen Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung.
Mitverschulden des Arbeitnehmers an der ungerechtfertigten Entlassung
Fraglich ist im gegenständlichen Fall, ob Hannes Z. ein Mitverschulden am Ausspruch der Entlassung angelastet werden kann. Eine Entlassung ist ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber sie bei Fernbleiben des Arbeitnehmers von der Arbeit trotz Vorliegens eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes ausgesprochen hat. § 32 Angestelltengesetz („AngG“) sieht allerdings die Kürzung von aus der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses resultierenden Ansprüchen bei einem Mitverschulden eines Vertragsteiles vor.
Dem Arbeitnehmer kann ein (Mit-)Verschulden an der unberechtigten Entlassung treffen, wenn er einen ihm bekannten Rechtfertigungsgrund für ein an sich pflichtwidriges Verhalten dem Arbeitgeber schuldhaft nicht bekannt gibt und der Arbeitgeber bei Kenntnis dieses Rechtfertigungsgrundes die Entlassung aller Voraussicht nach nicht ausgesprochen hätte.
Die Mitverschuldensregel gilt nicht nur für Schadenersatzansprüche sondern auch für andere beendigungsabhängige Ansprüche, insbesondere für die von Hannes Z. geltend gemachten Ansprüche auf seine Abfertigung gemäß § 23 AngG oder auf eine Urlaubsersatzleistung. Außer Betracht bleiben hingegen jene Ansprüche, die von der Art der Vertragsauflösung unabhängig sind, wie beispielsweise die Höhe der Sonderzahlungen. Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers ist insbesondere dann anzunehmen, wenn er dem Arbeitgeber einen Rechtfertigungsgrund wie eine Krankheit nicht bekannt gibt.
Für den Ausspruch der Entlassung war im Ausgangsfall vor allem der Umstand ausschlaggebend, dass Hannes Z. seine Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit nicht bekanntgab und so bei der A. GmbH den Anschein erweckte, dass er pflichtwidrig den Dienst nicht angetreten habe. Hätte Hannes Z. sich bei seinem Arbeitgeber gemeldet und eine Krankenstandsbestätigung vorgelegt, so hätte sein Arbeitgeber die Entlassung nicht ausgesprochen.
Das Verhalten von Hannes Z. war daher ursächlich für die Entscheidung seines Arbeitgebers, das Dienstverhältnis umgehend beenden zu wollen. Der Mitverschuldenseinwand des Arbeitgebers ist somit berechtigt. In einem Verfahren könnte Hannes Z. daher damit konfrontiert sein, dass abhängig vom angenommenen Ausmaß des Mitverschuldens die von ihm geltend gemachten beendigungsabhängigen Ansprüche nur zu einem Teil zugesprochen werden.
Philip Neubauer ist seit 2013 Rechtsanwalt bei der Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp) mit Spezialisierung unter anderem in den Bereichen Arbeitsrecht und Prozessführung und ist Autor zahlreicher Publikationen.
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