Folge 74. Ihm flögen gerade die Schindeln vom Dach, schreibt ein Bregenzerwälder. Schon in der Früh war nicht daran zu denken, in die Arbeit zu fahren. Sieht das sein Arbeitgeber genauso?
Ob es stürmt, schüttet oder schneit: Arbeitnehmer tragen die Verantwortung dafür, pünktlich am Arbeitsplatz einzutreffen. Muss der Arbeitnehmer mit Schwierigkeiten rechnen – wenn etwa Schneefälle angesagt sind – muss er eben früher losfahren.
Begründete Arbeitsverhinderung
Anders liegt der Fall, wenn meteorologisch davor gewarnt wird, auf die Straße zu gehen, sagt SCWP-Anwalt Roland Heinrich. Genau das ist jetzt bei Sturm Sabine der Fall. Fliegen einem Dachschindeln um die Ohren, blockieren umgeknickte Bäume die Straße oder besteht schlicht die Gefahr, weggeweht zu werden, kann eine „begründete Arbeitsverhinderung“ vorliegen. Darauf lässt sich beim Arbeitgeber aufbauen, sagt Heinrich, ohne dass dieser abmahnen, kündigen oder das Entgelt verweigern darf.
Anders ist das in Deutschland: Laut dem Hamburger Anwalt Andre Schenk begründet Sturm Sabine zwar eine Arbeitsverhinderung, der Arbeitgeber muss die ausgefallene Arbeitszeit aber nicht vergüten.
Hierzulande lauten die Schlüsselbegriffe: Verhinderung durch wichtige, die Person betreffende Gründe ohne ihr Verschulden während eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums. Das trifft auch auf Elementarereignisse zu. Selbstverständlich muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber sofort informieren und sich bei der ersten Möglichkeit wieder am Arbeitsplatz einfinden.
Kann der Arbeitgeber Home Office verlangen?
Ja, wenn der Arbeitnehmer üblicherweise auch daheim arbeitet, kann der Arbeitgeber verlangen, dass er seine Leistung eben daheim erbringt. Wenn nicht, müsste er erst die Datensicherheit überdenken (Stichwort DSG-VO) bzw. der Arbeitnehmer mit der Arbeitsplatzverlagerung einverstanden sein. Verweigern kann er sie etwa, wenn er mit dem Schutz von Haus, Leib und Leben alle Hände voll zu tun hat.
Darf der Arbeitnehmer sein Kind abholen?
Was tun, wenn Schule oder Kindergarten anrufen und das Abholen des Kindes verlangt? Für Heinrich hängt das davon ab, ob dem Kind ein sicheres Heimkommen möglich ist. Bei Kindergarten- oder Volksschulkindern ist das im Sturm sicher nicht der Fall, bei Teenagern Ermessenssache. Hier werden die Interessen abgewogen: Was wiegt schwerer, das dienstliche Interesse oder das des Kindes? Bei Elementarereignissen (und auch bei familienfreundlichen Arbeitgebern) gewinnt wohl das Kind.

Dr. Roland Heinrich ist Rechtsanwalt und Partner bei Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH (SCWP Schindhelm) am Standort Wels mit Schwerpunkt im Bereich des Arbeitsrechts.