Kern blitzt mit Forderung nach Abbruch der Türkei-Gespräche ab

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Die EU-Beitrittsverhandlungen werden "wohl fortgesetzt", sagte der Kanzler in Bratislava. Als Grund nennt er "große Sorgen" der Kollegen vor einem Scheitern des Flüchtlingsdeals.

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) geht von einer Fortsetzung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aus. "Sie werden wohl fortgesetzt werden", sagte Kern am Freitagabend in der "ZiB2" in einer Liveschaltung vom EU-Gipfel in Bratislava. Kern hatte ein Ende der Verhandlungen über eine türkische EU-Mitgliedschaft geforderrt und wollte dafür in Bratislava werben. Dass andere EU-Staaten keinen Abbruch wollten, erklärte der SPÖ-Chef mit "großen Sorgen, dass die Flüchtlingsvereinbarung mit der Türkei nicht hält".

"In der Analyse" erfahre die österreichische Position zu den Türkei-Beitrittsverhandlungen durchaus Zustimmung, sagte Kern mit Blick auf die wirtschaftliche und demokratische Entwicklung des Kandidatenlandes. "Ich bin ganz fest überzeugt, dass die Türkei, so wie sie dasteht, nicht der EU beitreten wird."

"Unsere Hausaufgaben erledigen"

Er glaube zwar nicht an ein Scheitern des EU-Türkei-Deals, doch sollte sich die EU "nicht auf andere Staaten verlassen" und stattdessen "unsere Hausaufgaben erledigen", forderte Kern einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen. Es gehe aber auch darum, die Fluchtursachen zu bekämpfen. "Wenn wir riesige Grenzzäune errichten, dann findet das Elend halt hinter dem Grenzzaun statt", argumentierte Kern.

Zu den markigen Sprüchen des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban, der in Bratislava von einer "selbstzerstörerischen" Einwanderungspolitik gesprochen hatte, sagte Kern: "Hinter verschlossenen Türen ist es deutlich gesitteter."

Die ungarische Position, jegliche Aufnahme von Flüchtlingen abzulehnen, sei aber "nicht akzeptabel". "Wir werden zu dem Punkt kommen, wo man klare Bekenntnisse verlangt", kündigte Kern an. Die EU-Mitgliedsstaaten müssten nämlich auch Lasten übernehmen. Zunächst gehe es aber um Hilfe an Ort und Stelle und den Schutz der Außengrenze. Wenn dies gelinge, werde auch die Frage der Verteilung der Flüchtlinge in Europa "leichter zu beantworten sein".

Von einem EU-Ausschluss Ungarns hält Kern nichts. "Wenn man diesen Weg weitergeht, endet das mit noch mehr Zerstörung", sagte er. "Man sollte sich nicht von Emotionen leiten lassen."

Der Gipfel von Bratislava habe "Fortschritte" gebracht auf dem Weg die "brennenden Fragen" in der Europäischen Union zu lösen. Auf die Frage, warum die oftmals gehörten Beteuerungen im Zusammenhang mit der EU-Politik gerade jetzt Umsetzungschancen haben sollen, sagte Kern: "Das frage ich mich ehrlich gesagt auch."

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