Brüssel sieht die Entwicklungen in der Türkei "äußerst besorgniserregend", will aber den politischen Dialog fortführen. Berlin bietet Oppositionellen Asyl an.
Die EU-Staaten wollen an den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorerst festhalten, obwohl sie die Entwicklung dort als "äußerst besorgniserregend" bezeichnen. Man sei bereit, den politischen Dialog "auf allen Ebenen und innerhalb des bestehenden Rahmens" fortzuführen, heißt es in einer am Dienstag in Brüssel veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme.
Die EU rufe die Türkei auf, "zu einem glaubwürdigen politischen Prozess" zurückzukehren, die Demokratie zu wahren und Menschenrechte zu respektieren, teilte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini im Namen der 28 Mitgliedsstaaten mit. Die Situation werde weiter sehr aufmerksam verfolgt und bewertet werden, fügte sie hinzu.
Wegen der sich nun auch verstärkt gegen Oppositionspolitiker und unabhängige Medien richtenden Verhaftungswelle in der Türkei sind innerhalb der EU Rufe nach einem Abbruch der Beitrittsverhandlungen laut geworden. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat sogar Wirtschaftssanktionen gegen Ankara ins Spiel gebracht. Österreichische Spitzenpolitiker bekräftigten ihre Forderung nach einem Ende der Beitrittsgespräche mit der Türkei.
Berlin: "Für alle politische Verfolgten offen"
Indessen hat Deutschland Regierungskritikern aus der Türkei Asyl in der Bundesrepublik angeboten. "Deutschland ist ein weltoffenes Land und steht allen politisch Verfolgten im Grundsatz offen", sagte Außenstaatssekretär Michael Roth der "Welt".
Das Recht auf Asyl gelte nicht nur für Journalisten. Darüber entschieden die zuständigen Behörden. "Alle kritischen Geister in der Türkei sollen wissen, dass die Bundesregierung ihnen solidarisch beisteht." Es gebe bereits verschiedene Programme, die auch türkischen Wissenschaftern und Journalisten offenstehen, sagte der SPD-Politiker.
"Deutschland unterstützt Terrorgruppen"
Im Gegenzug hat die Türkei der Bundesregierung erneut vorgeworfen, regierungsfeindlichen Extremisten Unterschlupf zu gewähren. "Deutschland ist das Land, das Terrorgruppen im Kampf gegen die Türkei am meisten unterstützt", sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Ankara. Konkret nannte er die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK und die linksradikale DHKP-C. Deutschland halte sich selbst für eine Demokratie erster Klasse und die Türkei nur für zweitklassig, sagte der Chefdiplomat. "Wir wollen, dass sie uns als gleichberechtigte Partner behandeln."
Die Menschenrechtslage in der Türkei sorgt seit dem gescheiterten Putsch im Sommer für große Spannungen zwischen den Regierungen in Berlin und Ankara. Zuletzt bot Außenstaatssekretär Michael Roth Regierungskritikern aus dem Nato-Staat Asyl in Deutschland an. Die Türkei hat auch damit gedroht, das Flüchtlingsabkommen mit der EU aufzukündigen. Seitdem es in Kraft ist, kommen über die Balkanroute kaum noch Migranten nach Deutschland.
(APA/Reuters)