WM-Quali: Unbelehrbar dem Abgrund entgegen

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�FB-TEAMTRAINING IN DER S�DSTADT(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Das 0:1 in der WM-Qualifikation gegen Irland war die Fortsetzung einer rasanten Talfahrt. Teamchef Koller steht für das gescheiterte Experiment Wimmer und seine Sturheit in der Kritik.

Werden im Happel-Stadion Teamspieler von den eigenen Fans ausgepfiffen, ist bei der österreichischen Nationalmannschaft Feuer am Dach. Kevin Wimmer bekam von den Rängen „direktes Feedback“ für seine Leistung im WM-Qualifikationsspiel gegen Irland. Der 23-Jährige wirkte auf der Position des linken Außenverteidigers erneut überfordert, wie ein Fremdkörper. Es war Marcel Kollers Erfindung, Innenverteidiger Wimmer mit einer neuen Aufgabe zu bekleiden. Ein Spieler, der bei Tottenham ein Reservistendasein fristet, soll auf Nationalteamebene plötzlich auf einer ihm fremden Positionen funktionieren – ein fataler Irrglaube. Die Geschicke eines Linksverteidigers sind nicht in ein paar Trainingseinheiten zu erlernen.

Das Experiment Wimmer ist damit endgültig gescheitert. Dieser Versuch aber war mitverantwortlich dafür, dass Österreich in den vergangenen drei Qualifikationsspielen vom Kurs Richtung Russland 2018 abgekommen ist.

Kollers Überzeugungen und seine Unbeirrtheit waren lange Zeit ein Trumpf des Schweizers, als Paradebeispiele dienen Marc Janko und Robert Almer. Der 56-Jährige vertraute dem Duo stets, auch als es mit keinerlei Spielpraxis zur Nationalmannschaft kam. Janko und Almer überzeugten, erzielten beziehungsweise verhinderten Tore. Kollers Risiko wurde belohnt.

Abhängigkeiten eines Trainers

Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet, wenngleich der Zürcher nie von seinem Kurs abgewichen, sich immer treu geblieben ist. Jedoch: Wimmers Besetzung war ein Fehler, mit David Alabas Freigeistrolle im zentralen Mittelfeld kann sich bis heute niemand wirklich anfreunden. Und auch das einst gepriesene System (4-2-3-1) wirkt festgefahren.

Koller allein die Schuld an dieser Talfahrt zu geben wäre allerdings zu einfach, schlicht falsch. Natürlich sind ihm in gewisser Weise die Hände gebunden, weil jeder Trainer letztendlich von der Leistung seiner Spieler abhängig ist. Die Form vieler ist längst nicht mehr jene aus der EM-Qualifikation, auch Stützen wie Abwehrchef Aleksandar Dragović plagen Sorgen, weil es an Spielpraxis mangelt. Und die Quantität an Qualität ist hierzulande enden wollend. Nach dem Irland-Spiel meinte Koller: „Österreich hat nicht diese Möglichkeiten und das Potenzial, dass du sagst: Wir bringen zehn Neue, und es wird funktionieren. Das ist, aus meiner Sicht, nicht der Fall.“

Der Abwärtstrend der Nationalmannschaft ist jedoch alarmierend. Vor dem letzten freundschaftlichen Länderspiel des Jahres gegen die Slowakei am Dienstag (20.45 Uhr, live in ORF 1) liest sich die Bilanz 2016 enttäuschend. Drei Siegen (Georgien, Albanien, Malta) und zwei Unentschieden stehen sechs Niederlagen gegenüber. Koller weiß um die Problematik, er hat die Zeichen der Zeit erkannt: „Als Trainer brauchst du Ergebnisse.“ Sonst . . .

Dem Schweizer stehen bis zum nächsten Pflichtspiel am 24. März gegen Moldau unangenehme Monate bevor. Der Wind, der rund um die Nationalmannschaft weht, ist rauer geworden, Koller nicht mehr unumstritten. Errungenschaften vergangener Tage sichern einen Job nur auf bestimmte Zeit, die famose EM-Qualifikation ist nur noch eine schöne Erinnerung.

Und was bringt 2017?

Koller hat bei Österreichs Fußballfans seit der misslungenen Europameisterschaft viel an Kredit verspielt, nicht wenige fordern fünf Monate später bereits seine Ablöse. Der Teamchef, seit nunmehr fünf Jahren im Amt, spricht von einer „mühsamen, schwierigen Zeit, weil wir die Spiele nicht gewinnen“. Koller ist kein Prophet, dennoch ist ihm bewusst: „Wenn du nicht gewinnst, dann ist es normal, dass der Trainer infrage gestellt wird.“ 2017 braucht es folglich neue Ideen, Lösungen – Siege. Vielleicht weicht Koller, in der Not, doch von seinem sturen Kurs ab?

Auf die Frage, ob er momentan die herausforderndste und komplizierteste Phase seiner Trainerlaufbahn durchlebe, antwortete der Schweizer: „Nein, ich habe schon andere Gewitter erlebt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2016)

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