Das EU-Außenministertreffen blieb ergebnislos. Während Kurz und Asselborn eine strengere Linie forcieren, mahnt Johnson zu Zurückhaltung.
Das Treffen der EU-Außenminister Montag in Brüssel hat keine Einigkeit zum Umgang mit der Türkei gebracht. "Eine klare Haltung der Mitgliedstaaten gibt es. Sie ist nur nicht überall die gleiche", sagte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Während sich sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn ähnlich kritisch zur Türkei äußerte, gab sich der britische Chefdiplomat Boris Johnson zurückhaltend.
Kurz sieht außerdem derzeit keine Chance weder für weitere EU-Beitrittsverhandlungen noch für eine Visabefreiung für die Türkei. Diese Bedingungen, welche die Türkei im Gegenzug für das Flüchtlingsabkommen verlangt habe, "sind aus meiner Sicht keinesfalls zu erfüllen". Seitens der EU würden zudem über 600 Millionen Euro an EU-Vorbeitrittshilfen in die Türkei fließen, "Gelder, die wir auch dringend diskutieren sollten". Kurz erwartet eine weitere EU-Debatte zur Türkei im Dezember.
"Verletzung der Rechtsstaatlichkeit"
In ihrem jüngsten Fortschrittsbericht hatte sich die EU-Kommission "schwer besorgt" über die nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli durch Präsident Recep Tayyip Erdogan angestrengte Verhaftungswelle gegen seine Gegner geäußert. Es habe "eine schwerwiegende Verletzung der Rechtstaatlichkeit" gegeben, sagte Erweiterungskommissar Johannes Hahn bei der Vorstellung des Berichts. Im Vorfeld des Außenministertreffens forderte der ÖVP-Politiker nun die EU-Staaten auf, eine "klare Orientierung" zu finden, "wie wir in den nächsten Wochen die Gespräche" mit Ankara führen sollen.
Bereits im Vorfeld des Treffens zeichnete sich keine gemeinsame Haltung unter den Außenministern in der Türkei-Frage ab. Der britische Außenminister Johnson betonte bei seiner Ankunft, es sei "sehr, sehr wichtig die Türkei in keine Ecke zu drängen". Außerdem riet er davon ab, "in einer Art und Weise zu überreagieren, die gegen unser gemeinsames Interesse ist". Die Türkei - ein Nato-Bündnispartner - sei in einer "sehr schwierigen Situation" gewesen, sagte Johnson im Hinblick auf den gescheiterten Putschversuch.
Weniger Verständnis zeigte Luxemburgs Außenminister Asselborn. Die EU könne "nicht einfach zusehen", wenn die Türkei die Todesstrafe wiedereinführen wolle und Regierungsgegner massenhaft einsperre. "Keiner von uns will die Türkei fallen lassen, allerdings darf die Türkei uns auch nicht fallen lassen", sagte Asselborn. Der Luxemburger hatte zuletzt mit den Forderungen von Wirtschaftssanktionen gegen Ankara für Aufsehen gesorgt.
Steinmeier in Ankara zu Gast
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der kurzfristig wegen der Debatte um seine Präsidentschaftskandidatur noch vor dem Treffen der EU-Außenminister nach Berlin aufgebrochen war, will noch am morgigen Dienstag politische Gespräche in Ankara führen. Es ist Steinmeiers erster Besuch in der Türkei seit September 2015.
Erdogan scheint unterdessen mehr Druck in Richtung Brüssel aufzubauen. Am Montag brachte der türkische Präsident nach Reuters-Angaben erneut ein Referendum über den EU-Beitrittsprozess ins Spiel. Dieser Prozess werde von Brüssel ohnedies behindert, erklärte Erdogan einmal mehr.
(APA)