Chrysler lässt künftig nicht mehr in Graz bauen

Chrysler
Chrysler(c) AP (Frank Augstein)
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Neue Modelle der Fiat-Tochter werden in Italien gefertigt. In Graz schrumpft die Entwicklungsabteilung.

WIEN.Der Wind bläst in der Autoindustrie äußerst rau. Daran haben auch die befristet eingeführten Verschrottungsprämien nichts geändert. Denn seitdem die Prämien großteils ausgelaufen sind, geht die Zahl der Neuwagenkäufer wieder zurück. Die Hersteller haben daher riesige Überkapazitäten in ihren Werken. Besonders zu spüren bekommen dies naturgemäß Auftragsfertiger wie Magna Steyr in Graz. So kündigte Fiat-Chef Sergio Marchionne laut „Wall Street Journal“ an, dass die neue Fiat-Tochter Chrysler ihre für den europäischen Markt bestimmten Modelle nicht mehr in Graz, sondern in Italien bauen lassen wird.

Offen ist, ob das Ganze wirklich nur mit der Auslastung eigener Kapazitäten bei Fiat zusammenhängt oder auch eine Reaktion auf die Übernahme von Opel durch Magna ist. Fiat war ja einer der Konkurrenten von Magna beim Wettstreit um Opel. Weder bei Fiat noch bei Magna wollte man die Sache entsprechend kommentieren. Aufgrund der angeschlagenen Situation von Chrysler war jedoch seit Längerem fraglich, ob es für die Anfang des nächsten Jahrzehnts auslaufenden Verträge für drei Modelle (Chrysler 300C, Jeep Commander, Jeep Grand Cherokee) Nachfolgeaufträge geben wird.

Vier Prozent der Produktion

Die Chrysler-Modelle verkauften sich in Europa nämlich äußerst schlecht. So betrug die Produktion für alle drei Modelle im ersten Halbjahr gerade einmal 1100 Stück. Das sind rund vier Prozent der Gesamtproduktion von etwa 26.000 in Graz hergestellten Autos.

Die Hochrechnung auf das Gesamtjahr zeigt aber auch, wie stark die Krise das steirische Werk trifft. Im Rekordjahr 2006 wurden bei Magna Steyr noch knapp 250.000 Autos zusammengebaut.

Dies hatte natürlich auch Auswirkungen auf den Mitarbeiterstand. Vom Höchststand mit rund 9000 Mitarbeitern ist die Zahl der Beschäftigten auf 5500 gefallen. Wie mehrfach berichtet, wurden in der Produktion sämtliche Leiharbeiter und zuletzt auch Stammpersonal abgebaut. Bislang ungeschoren war die Entwicklungsabteilung – das „Engineering“.

Laut „Presse“-Informationen hat sich dies inzwischen aber ebenfalls geändert. So sank auch hier bereits der Personalstand von 1250 Ingenieuren auf 1000. Und bis zum kommenden Frühjahr dürften weitere 200 bis 250 Techniker das Unternehmen verlassen. Rund die Hälfte davon sind Leiharbeiter, dem Rest wird mittels „Golden Handshakes“ der Abgang schmackhaft gemacht.

„Uns fehlen zur Zeit einfach die großen Aufträge“, sagt Magna-Betriebsrat Günther Pepper. Konkrete Zahlen wollte er nicht bestätigen, aber „natürlich werden Mitarbeiter wegen Golden Handshakes angesprochen“, so Pepper. Die Belegschaftsvertreter hoffen daher, dass mit den inzwischen erhaltenen vier Aufträgen – Porsche Boxster, Peugeot 308RCZ, Mini Geländewagen und Aston Martin Rapide – alles „wie vorgesehen“ abläuft. Diese vier Modelle würden Arbeit für das Engineering und eine jährliche Produktion von rund 100.000 Autos bedeuten.

Porsche-Deal auf der Kippe

Erst in der Vorwoche sorgten jedoch deutsche Medienberichte für Unruhe, wonach Porsche den Boxster künftig doch nicht in Graz bauen lassen könnte. Einerseits hat auch Porsche inzwischen große Überkapazitäten, andererseits meinte VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch (Porsche gehört inzwischen zu dem Wolfsburger Konzern) mit Blick auf den Opel-Deal, dass er Aufträge nicht an Konkurrenten vergeben will.

Offiziell will man dies bei Magna nicht kommentieren. Dem Vernehmen nach steht der Deal aber auf der Kippe. Allerdings setzt man darauf, dass ein Wechsel für Porsche nach den eineinhalbjährigen Vorarbeiten zu große Verzögerungen bei dem wichtigen Modell brächte.

AUF EINEN BLICK

Chrysler-Modelle wie der 300C (Bild) werden bald nicht mehr bei Magna Steyr in Graz vom Band laufen. Das sagte am Mittwoch Sergio-Marchionne, Chef der neuen Chrysler-Mutter Fiat. Fiat will die Nachfolgemodelle in eigenen – unausgelasteten – Fabriken herstellen. Allerdings könnte auch die Übernahme von Opel durch Magna eine Rolle spielen. Fiat wollte Opel ebenfalls kaufen. [Magna Steyr]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2009)

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