Ganz NÖ sagt so wie wir: Erwin P., wir danken dir!

Das Land hat seinen Vater nach Hause zurückgerufen. Ihm, der ÖVP und Österreich bleibt damit viel erspart.

Nun ist es entschieden: Erwin Pröll wird also doch nicht den Schritt vom Landesvater zum Bundesvater tun. Nicht, weil er sich zu wenig Chancen ausrechnet. Oder weil seine Geldgeber aus dem Raiffeisensektor ihm zu wenig Chancen geben. Oder weil mächtige Freunde des Neffen lieber diesen als Bundeskanzler statt den Onkel in der Hofburg sehen möchten. Nein, all dies war es nicht, und auch kein Veto seiner Ehefrau oder des Hausarztes – Erwin Pröll bringt sein Opfer als Staatsmann. Sein Liebäugeln mit dem Bundespräsidentenamt hat seine Landeskinder in zu große Aufregung gestürzt, und das war den Niederösterreichern nicht zuzumuten: „Ich habe sehr stark diese Unruhe in der Bevölkerung Niederösterreichs gespürt. Da diese Verunsicherung zugenommen hat, musste ich handeln“, hat Erwin Pröll zur „Presse“ gesagt.

Da sieht man, was für ein feines Gespür für die Sorgen seiner Landsleute dieser Erwin Pröll doch hat. Während Normalbürger diese zunehmende Unruhe in der Bevölkerung noch gar nicht wahrgenommen haben, hat der Landesvater sie wohl schon vor seinem geistigen Auge gesehen – die Kolonnen weinender Goldhaubenträgerinnen aus der Wachau, die vor dem Landhaus „Erwin, bleib bei uns!“ deklamieren. Die Jugend des Landes, die Samstagabend in den Dorfdiscos nicht mehr tanzen will, sondern sich in immer hitzigeren Debatten ergeht, warum nur in aller Welt der Herr Pröll ihnen denn jetzt auf einmal den Rücken kehren will. Die wachsende Gereiztheit in den Betrieben, den Familien, weil diese bohrende Angst immer unerträglicher wird, eines Tages ohne Erwin Pröll dazustehen und das Leben allein bewältigen zu müssen.

Während „Österreich“ noch am vergangenen Freitag gründlich danebenlag und die Landesstimmung völlig falsch wiedergab („Wir wollen aber wieder glücklich sein und daher frage ich: Lieber Erwin Pröll! Könnten Sie nicht endlich sagen, dass Sie für den Bundespräsidenten kandidieren? Das Land würde sich freuen, ich mich auch. Bitte.“), hat die hellhörige „Kronen Zeitung“ am Dienstag, noch vor Prölls Verzichtserklärung, das „eindringliche Rufen eines Großteils der Bevölkerung“ ordnungsgemäß vernommen und korrekt in die titelfette Fürbitte: „Erwin Pröll soll bei uns bleiben!“ übertragen.

Und ebendieser Erwin Pröll wäre ein schlechter Landesvater, hätte er angesichts dieses eindringlichen Rufens (geben Sie es zu, Sie haben es sicher auch gehört, bei der Durchfahrt durch St.Pölten oder beim Wochenendausflug in den Wienerwald!) nicht demütig sein Haupt gesenkt und den Treueschwur auf seine Niederösterreicher erneuert. Wie sagt doch die „Krone“ über seine Durchlaucht, pardon, über den Landeshauptmann? Er kennt hier „jeden Winkel und die Leute mögen ihn, weil sie spüren, dass er auf ihrer Seite steht“ (solange sie auf seiner Seite stehen..., müsste man vielleicht noch hinzufügen. Denn der Pröll ist keiner, der Spaß versteht, wenn sich jemand mit seinen Niederösterreichern anlegt, vertreten durch ihn.).


Oder sollte das Wechselspiel zwischen Pröll und der „Krone“ nur Inszenierung für einen ehrenvollen Abgang von der Bundespräsidentenwahlbühne sein? War es letztlich doch die Unsicherheit über einen Wahlausgang, die Pröll zur Absage getrieben hat? Die Präsidentenwahl zu verlieren und dann auch noch in Niederösterreich führerlos dazustehen – das wäre der ÖVP doch zu viel an Risiko. O, du würdelose, prosaische Wirklichkeit!

Die Chefredaktion dieses Blattes fühlt jedenfalls gemeinsam mit dem ruffreudigen Großteil der niederösterreichischen Bevölkerung eine gewisse Erleichterung darüber, dass Erwin Pröll nun der Vater dieses Bundeslandes bleibt. Sein offen ausgesprochenes Ziel wäre es ja gewesen, dem Amt des Bundespräsidenten einen Bedeutungsschub zu verschaffen. Was hätte das sein können? Mehr hehre, aber folgenlose Reden vom „Trockenlegen der Sümpfe“ wie unter Kirchschläger? Oder ein weiteres aussichtloses Ringen um die Gestaltungshoheit bei der Regierungsbildung (mit anschließender Beleidigtheit) wie unter Klestil? Hineinreden in den Ministerrat? Kopfwäschen für den Bundeskanzler?

Woran Österreich derzeit leidet, ist ja nicht ein Mangel an Tatkraft in der Hofburg, sondern in der Bundesregierung. Und ein Übermaß an Umsorgung des Bürgers mittels staatlicher Zuwendungen, die bald unleistbar werden. Eine zwar sicher unterhaltende, aber letzten Endes enervierend unfruchtbare Konfrontation zwischen einem versierten Machttechniker auf schwachem Posten und einer schwachen Mannschaft in der Machtposition ist uns gerade noch erspart geblieben.


michael.prueller@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2009)

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