Außenminister Sebastian Kurz bereitet sich auf Österreichs EU-Vorsitz im Jahr 2018 vor: Sein Ressort will in wenigen Wochen seine Reformvorschläge vorlegen. Mit weniger Kommissaren und einem verstärkten Grenzschutz.
Wien. Es gibt einige Gründe für die neue Initiative von Sebastian Kurz. Der wichtigste davon ist gleichzeitig der offizielle: Österreich übernimmt im Juli 2018 für sechs Monate den EU-Vorsitz. Der Außenminister will daher einen konkreten Plan vorlegen, wie sich die Europäische Union weiterentwickeln soll. Erste Reformpläne gibt es bereits, Kurz startet außerdem bald eine Hauptstädte-Tour, um für seine Ideen zu werben. In Wien wird außerdem eine internationale Konferenz geplant. Das fertige Papier soll jedenfalls im März oder April präsentiert werden.
Das bringt uns zu einem weiteren Grund dafür, dass der Außenminister nun mehr Tempo macht: Auch die SPÖ arbeitet derzeit an ihrem sogenannten Plan E, also einer neuen Leitlinie zur Europapolitik. Und auch die SPÖ hat ihren Abgabeschluss für März bzw. April vorgesehen. Zusätzlich will Kurz den EU-Ratsvorsitz Österreichs möglichst breit nutzen, um für das kleine Land, seine Ideen – und seinen Außenminister zu werben.
EU sei oft „falsch abgebogen“
Was sind nun aber die Ideen? Prinzipiell will Kurz eine „klare inhaltliche Positionierung“ für die Europäische Union nach dem Brexit festlegen. Der Abschluss der Austrittsverhandlungen mit Großbritannien fällt genau in die Zeit der österreichischen Präsidentschaft. Und auch wenn ihn, Kurz, der Brexit nicht glücklich mache, könne man ihn durchaus als Chance für die EU sehen. Vor allem, nachdem man in der Vergangenheit einige Male „falsch abgebogen“ sei – zum Beispiel bei der Flüchtlingspolitik.
Geht es nach Kurz, wird die EU aber in Zukunft nicht nur einen Mitgliedstaat weniger haben. Sondern auch eine kleinere Kommission: Der Minister belebt nun eine ältere Idee und plädiert dafür, dass nicht mehr jedes Mitgliedsland einen fixen Kommissar entsenden darf. Das würde Wien zwar seinen Posten kosten, laut Kurz sollte es aber ein Rotationsmodell geben. Ganz allgemein soll die Überregulierung gestoppt werden: „Es gibt 21.000 Richtlinien und Verordnungen, das ist ein Problem.“
Der Minister wünscht sich auch weniger Europa – in bestimmten Bereichen. Zum Beispiel in der Gesundheitspolitik: Die Zigarettenkennzeichnung könnte beispielsweise national gelöst werden. Auch die „Schaffung einer Sozialunion“ müsse man stoppen. Die Personenfreizügigkeit solle nicht den Sinn haben, dass sich Menschen das beste Sozialsystem aussuchen.
Kurz plädiert aber auch für mehr EU – nur eben mit einem anderen Schwerpunkt. Einer der wichtigsten sei die Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Italien und Griechenland solle man mit dem Außengrenzschutz nicht alleinlassen. Die EU-Kampftruppe Battle Group soll jedenfalls verstärkt zum Einsatz kommen. Oder eher erstmals zum Einsatz kommen: Seit ihrem Bestehen wurden die Soldaten noch nie auf eine Mission entsandt.
Direktwahl für Bürger?
Auch die kommenden Wahlen beschäftigen den Außenminister – nicht jene in Österreich, sondern in ganz Europa: Der nächste Urnengang steht 2019 an. Laut Kurz sollte der EU-Kommissionspräsident direkt von den Bürgern gewählt werden, um seine Rolle zu stärken. Danach könnten sich die Staaten, das Parlament und die Kommission auf einen „Subsidiaritätspakt“ einigen. Dort soll festgelegt werden, bei welchen Themen die EU tätig werden soll – und bei welchen nicht. Übrigens arbeiten nicht nur SPÖ und ÖVP an einem Papier zur Zukunft Europas: Heute, Mittwoch, wird das Weißbuch der EU-Kommission zu Reformen präsentiert. (ib)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2017)