„Bayern zuerst“: Die große Selbstbeschwörung der CSU

Politischer Aschermittwoch - CSU
Politischer Aschermittwoch - CSUAPA/dpa/Andreas Gebert
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Beim Hochamt der Christlichsozialen in Passau wirkte auch Innenminister Sobotka mit. Er reihte sich unter die Kampfrhetoriker.

Wien/Passau. Bierdunst und der Duft von Fischsemmeln lagen in der Passauer Dreiländerhalle in der Luft, über dem „größten Stammtisch der Welt“ schwenkten die treuesten der treuen CSU-Parteigänger die weiß-blaue Rautenfahne des Freistaats, und zum Einzug des Parteichefs und Ministerpräsidenten samt seiner Entourage ertönte der obligate Defiliermarsch. Nach einer Zwangspause infolge des Bahnunglücks in Bad Aibling im Vorjahr regierte in der Drei-Flüsse-Stadt an der österreichischen Grenze beim „Politischen Aschermittwoch“ wieder die Pracht und Herrlichkeit der – laut Eigendefinition – bayerischen Staatspartei.

Nur Horst Seehofer hatte es zunächst ein wenig die Sprache verschlagen. Der Ministerpräsident war heiser, seine Stimme knarzte – und dies just beim Hochfest der CSU, wo einst Franz Josef Strauß in unbändiger Spottlust zu rhetorischer Hochform aufgelaufen war und Feind wie Freund mit Kraftausdrücken bedacht hatte. Die Konkurrenzveranstaltung der SPD im nahen Vilshofen, 20 Kilometer donauaufwärts gelegen, zog mindestens so viel Aufmerksamkeit auf sich. Und so musste in Passau vorerst das Vorprogramm für bierzeltähnliche Atmosphäre sorgen.

Nach Vilshofen, zu Martin Schulz und Christian Kern, schielten indessen auch die Einheizer des CSU-Chefs. Joachim Herrmann, der bayerische Innenminister, hatte seinen Parteifreund aus Wien eingeladen, und Wolfgang Sobotka erfüllte inhaltlich wie auch polemisch vollauf die Erwartungen. Wie die CSU-Granden sprach er sich für eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus: „Die ist absolut notwendig.“

„Die Sozi drehen und winden sich“

Der Innenminister warnte davor, den Rechtsstaat auf den Kopf zu stellen. Die Stimmung in der Halle sprang auf den Gastredner über, der nicht vor populistischen Tönen in der Flüchtlingspolitik zurückschreckte. „Die wandern nicht in die Arbeitswelt, sondern in die Sozialwelt ein“, polterte Sobotka gegen die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge. Über die Zusammenarbeit mit der SPÖ in der Großen Koalition in der Flüchtlingsfrage schimpfte er unter dem Gejohle des Publikums: „Die Sozi drehen und winden sich.“

An die Adresse Österreichs richtete sich auch die Kritik Alexander Dobrindts, des Verkehrsministers in Berlin und früheren CSU-Generalsekretärs. Er sei die ständige „Maut-Maulerei“ aus Wien leid. In Anspielung auf den Gastauftritt des Kanzlers in Vilshofen stichelte er: Kern sei heuer „nicht nur umsonst, sondern auch kostenlos“ nach Bayern gefahren. „Das ändert sich in Zukunft.“

Harte Bandagen gegen „Schizo-Schulz“

Salve um Salve feuerte die CSU gegen Martin Schulz. Finanzminister Markus Söder hatte neulich Alarm geschlagen: Das Umfragehoch der Sozialdemokraten sei kein Strohfeuer. An kreativen Wortschöpfungen fehlte es den Christlichsozialen bei ihrer Aufwärmübung für den Wahlkampf für die „Schicksalswahl“ im Herbst nicht: Mal schmähten ihn die CSU-Spitzen als „Martin, den Mogler“, mal als „Schwafel-Schulz“ oder gar als „Schizo-Schulz“. Der designierte SPD-Chef muss sich auf harte Bandagen aus München einstellen. Die CDU, für die am Mittwochabend Angela Merkel in Demmin in ihrem Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern in den Ring stieg, hält sich derweil betont zurück.

Dass Markus Söder währenddessen nicht in Passau auftrat, schürte die Nachfolgespekulationen in der CSU. Seehofer, der den ambitionierten Franken als Erben verhindern will, kokettiert neuerdings mit einer abermaligen Kandidatur als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2018 – für die er eigentlich sein Ausscheiden aus der Politik anvisiert hat.

Die großen Linien, etwa die Forderung nach einem Einfrieren der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, behielt sich der Chef selbst vor. So rühmte sich Horst Seehofer als „bayerischer Dickschädel“, wie er sagte, in der Flüchtlingsfrage recht behalten zu haben. Hätte die Kanzlerin auf ihn gehört, wäre ihr viel erspart geblieben. Dennoch schwor er die Basis auf die Wiederwahl der Regierungschefin ein: „Ich kenne niemanden außer Angela Merkel, der Deutschland führen kann.“ In der Dreiländerhalle gellten prompt Buhrufe gegen Merkel. In Bayern hat sie viele Sympathien eingebüßt.

Als Seehofer in einer Spitze gegen die rechtspopulistische AfD das Strauß-Mantra bekräftigte, wonach es rechts der CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, war die weiß-blaue Welt wieder in Ordnung. „Dieses Land ist euer Land, unser Land, mein Land“, paraphrasierte der Ministerpräsident einen Folksong Woody Guthries. „Bayern zuerst“, das Credo der CSU, ist ja schon lange vor der Trump-Ära als rituelle Selbstbeschwörung wirkmächtig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2017)

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