Neun Play-off-Partien schmorte David Kickert, 23, auf der Ersatzbank der Vienna Capitals. Als es darauf ankam war der Zweier-Tormann aber zur Stelle und sorgte wohl für die Vorentscheidung im Finalduell mit dem KAC.
Wien. „Ich habe zwei, werde einen davon nehmen.“ Festlegen wollte sich Headcoach Serge Aubin freilich nicht, doch die Torhüterfrage, sie beschäftigt die Vienna Capitals auf ihrer sonst so reibungslos laufenden Mission zweiter Meistertitel nach 2005. Da marschieren die Wiener also unaufhaltsam durch die Play-offs, und plötzlich beginnt die Nummer eins im Tor, J.P. Lamoureux, der Star-Keeper der Liga, zu schwächeln. Gegen Finalgegner KAC, leistete sich der US-Amerikaner, 32, ungewöhnliche Patzer, kassierte zuletzt in Kagran vier Tore in 28 Minuten, ehe Aubin Ersatzmann David Kickert brachte, 23 Jahre, Capitals-Eigenbau.
Der Trainer wollte sein Team mit dem Goalie-Wechsel wachrütteln, lag damit einmal mehr richtig: Kickert beendete das Kärntner Schützenfest, wurde nur einmal (bei KAC-Powerplay) überwunden, die Capitals gewannen 7:5 und führen der Finalserie (Best of seven) 3:0. Vier Matchpucks bedeuten wohl die Vorentscheidung.
Kickert ist in dieser Finalserie vom Zweier-Torhüter zum Rückhalt gereift, wird der junge Österreicher gebraucht, beweist er Nervenstärke. Zwei Tage vor dem 7:5-Torfestival hatte er schon in Klagenfurt (5:4 n.V.) dem Torreigen ein Ende gesetzt und blieb nach seiner Einwechslung ohne Gegentreffer. Bemerkenswert: Die ersten neun Playoff-Siege der Capitals verfolgte er nur von der Bank aus. „Als Zuschauer liegen die Nerven blank, aber auf dem Eis bist du fokussiert“, sagt Kickert. Außerdem gebe es Techniken, um die Nervosität einzudämmen.
An der Seite des erfahrenen Lamoureux und des schwedischen Torwarttrainers Erik Ersberg ist der junge Torhüter aufgeblüht, Chefcoach Aubin verschaffte ihm Einsatzminuten. „Er hat ein tolles Jahr, arbeitet hart, wir versuchen, seinen Rhythmus hochzuhalten“, sagt der Trainer. Mit einer Fangquote von 93,4 Prozent führt Kickert die Goalie-Statistik der Liga an (Lamoureux: 92,2), wurde auch zum „Youngster der Saison“ gewählt, obwohl er sagt: „Ich fühle mich mit 23 nicht so jung.“ Über Lamoureux verlor Kickert auch nach dem 7:5, dem trefferreichsten Finalspiel der Ligageschichte, kein schlechtes Wort. „Alle Goalies haben bisserl Pech gehabt.“ Auch der KAC hat den Tormann gewechselt, für David Madlener kam Tomas Duba. Am Toreschießen sei es schließlich nicht gelegen, erklärte KAC-Coach Mike Pellegrims angesichts von fünf Auswärtstreffern: „Ich musste ein Signal setzen.“
Vier Spiele sind genug
Um die Titelchance zu wahren, muss KAC am Freitag (20.15 Uhr, ServusTV, Sky) die Wiener Siegesserie nach elf Playoff-Erfolgen en suite (Ebel-Rekord) beenden, nur einmal wurde ein 0:3-Rückstand gedreht (von Linz 2010 im Halbfinale gegen die Capitals). „Wien braucht vier Siege, wir werden alles tun, um sie zu stoppen. Irgendwann muss es klappen“, sagte Pellegrims. Ob er beim ersten Matchpuck in Klagenfurt das Tor hüten wird, weiß David Kickert noch nicht, er ist sich aber sicher: „Wir wollen nicht mehr als vier Spiele spielen.“ (joe)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2017)