Die islamische Glaubensgemeinschaft Österreichs kritisiert den Spruch aus Straßburg: „Wir haben uns nie gegen Kreuze im Klassenzimmer ausgesprochen“, sagt die Sprecherin der Glaubensgemeinschaft.
Wien (gr). Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), wonach Kruzifixe in Schulklassen das Recht verletzen, nicht gegen den eigenen Willen mit religiösen Inhalten konfrontiert zu werden, sorgt auch in Österreich weiterhin für Diskussionen.
Der St. Pöltner Bischof Klaus Küng kritisiert, dass der Gerichtshof hier den Willen eines einzelnen Menschen über die Tradition und den Willen eines ganzen Landes stellt. Das Kreuz sei kein Zeichen von Intoleranz, sondern vielmehr ein „Ausdruck von Menschenrechten“ und eine „Einladung, sich wie selbstverständlich mit religiösen Symbolen auseinanderzusetzen.“
Auch die islamische Glaubensgemeinschaft Österreichs kritisiert den Spruch aus Straßburg: „Wir haben uns nie gegen Kreuze im Klassenzimmer ausgesprochen“, sagt Carla Amina Baghajati, Sprecherin der Glaubensgemeinschaft. Die Sichtbarkeit gelebter Religiosität aus dem schulischen Alltag verbannen zu wollen, würde das in Österreich gewachsene Verständnis erschüttern, warnt Baghajati: Die Präsenz religiöser Symbole sei Teil des friedlichen Zusammenlebens in einer pluralistischen Gesellschaft.
FPÖ sieht Christenverfolgung
Als „inakzeptabel“ bezeichnete das Urteil des Gerichtshofes am Donnerstag der Bundesgeschäftsführer der VP-nahen Christgewerkschafter, Günther Trausznitz. In Österreich solle die „ureigenste Kultur“ Vorrang haben und auch gelebt werden, fordert der FCG-Vertreter.
In der FPÖ ortet man nach dem Urteil indes bereits „Christenverfolgungen in Europa“. Die EGMR-Richter würden hier „in die Hand eines radikalen Islam“ arbeiten, findet der freiheitliche EU-Parlamentarier Franz Obermayr. Wenn man einen Glaubenskrieg vermeiden will, sei es höchste Zeit, dass sich die Christen in Europa zur Wehr setzen“, so Obermayer. Siehe auch Seite 8
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2009)