Der Autobauer arbeitet an einem grundlegenden Umbau des Unternehmens, der mehr SUV und mehr Elektroautos bringen wird. Für Dieselmotoren sieht man eine Zukunft.
Wolfsburg. Es gab schon bessere Monate für Volkswagen. Erstmals seit mehr als sieben Jahren war der Golf im März nicht mehr das meistverkaufte Auto Europas. Ausgerechnet der Konkurrent aus den USA, Ford, konnte mit seinem Fiesta die Dominanz von VW brechen (der Ford Fiesta lag mit 47.263 verkauften Stück um etwa 500 vor dem Golf).
Das soll es aber dann auch schon mit den schlechten Nachrichten für heuer gewesen sein. VW (die Kernmarke, nicht der Konzern) will nach dem „Annus horribilis“, das 2016 wegen des Dieselskandals war, heuer den Umsatz um zehn Prozent steigern, wie man am Freitag bei der erstmals abgehaltenen Jahrespressekonferenz in Wolfsburg erklärt hat. VW ist dafür, das zeigen die Zahlen des ersten Quartals 2017, auf einem guten Weg: Das Unternehmen verkaufte 862.000 Fahrzeuge, machte einen Umsatz von 19 Milliarden Euro und einen Betriebsgewinn von 900 Mio. Euro, mehr als zehn Mal so viel wie im Vergleichsquartal 2016 (73 Mio. Euro), als die Abgasaffäre durchschlug.
Zehn neue Modelle 2017
Damit das so bleibt, hat sich das Unternehmen einen strikten Umbauprozess verschrieben, der unter dem Namen Transform 2025+ und als „Zukunftspakt“ firmiert. Erfreulich für die Kunden: VW wird heuer zehn neue Modelle vorstellen, bis 2020 folgen allein 17neue SUV und mehrere neue E-Autos. Wenig erfreulich für die Belegschaft: 30.000 Mitarbeiter werden bis 2025 abgebaut (ohne betriebliche Kündigung, wie VW versichert), durch Kostenreduzierungen soll die operative Rendite von heuer 2,5 bis 3,5 Prozent auf sechs Prozent steigen.
Den Dieselskandal hat VW offenbar überstanden, zumindest bei den Kunden. Die Auslieferungen stiegen bis März dieses Jahres um 3,8 Prozent, in den USA, wo der Skandal seinen Ausgang genommen hatte, sogar um zehn Prozent. Und das ohne Diesel, den man in den Vereinigten Staaten komplett vom Markt genommen hat.
Dennoch will VW grundsätzlich am Diesel festhalten, wie der gesamte Vorstand am Freitag unisono versichert hat. „Wir stehen zum Diesel. Er bleibt relevant, er ist bei Kunden sehr beliebt und nicht wegzudenken“, betonte VW-Markenvorstand Herbert Diess. „Wir sehen für Diesel eine große Zukunft.“
Allerdings wird diese Zukunft für die Kunden teurer – „deutlich teurer“, meinte sogar Finanzvorstand Arno Antlitz. Diess relativierte auf Nachfrage: „Diesel wird sich wegen der technisch notwendigen Anpassungen (aufgrund strengerer Abgasvorschriften, Anm.) verteuern. Einen Teil werden wir an den Kunden weitergeben müssen.“
Der Selbstzünder bleibt vor allem wegen der geplanten großen SUV-Offensive wichtig. Auf den Trend zu den Geländeautos für die Straße hat VW lange Zeit nur zögerlich reagiert, aktuell bietet man in Europa nur zwei SUV-Modelle an. Bis 2020 sollen es 19 sein.
Damit man dennoch die Flottenverbrauchsvorschriften erfüllen kann, gibt es parallel eine Offensive bei Elektroautos. Der neue E-Golf hat bereits eine Reichweite von 300 Kilometern, weitere Elektroversionen sind geplant, Schwerpunkt in der E-Offensive werden die vier sogenannten I.D.-Modelle sein, die ab 2020 auf den Markt kommen. Sie sollen eine Reichweite von 400 bis 600 Kilometern und einen Preis eines vergleichbaren Dieselmodells haben. Gebaut werden sie im deutschen Zwickau. Das Ziel: „Bis 2025 wird Volkswagen Weltmarktführer in der Elektromobilität werden und eine Million Elektroautos pro Jahr verkaufen“, gab Diess vor. Tesla, den aktuellen Marktführer bei E-Autos, will VW dabei in allen Belangen überflügeln: „Unsere Fahrzeuge können alles, was Tesla kann, und das nicht nur im Premiumsegment“, meinte Diess.
Das vernetzte Auto
Wichtig für VW ist auch der Aufbau eines „digitalen Ökosystems“, von Infotainment über Mobilitätsdienste bis hin zu Park-Apps. Volkswagen sieht darin großes Potenzial. Bis 2025 will man 80 Millionen Nutzer für die vernetzten Autos gewinnen und eine Milliarde Euro pro Jahr umsetzen. (rie)
Compliance-Hinweis: Der Autor war auf Einladung von VW in Wolfsburg.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2017)