SPD: „Wir sind nicht fröhlich“

Wahlkampf SPD Schleswig-Holstein
Wahlkampf SPD Schleswig-Holstein(c) APA/dpa/Kay Nietfeld
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Es läuft nicht für Martin Schulz. Am Tag nach der Pleite in Schleswig-Holstein stiehlt ihm die Kanzlerin die Show. Am Sonntag muss die SPD nun im größten Bundesland NRW liefern.

Berlin. Es ist eine alte Tradition. Nach der Wahl gibt es in der SPD-Zentrale, dem Willy-Brandt-Haus, vom Parteichef einen Blumenstrauß für den SPD-Spitzenkandidaten. Zuletzt waren es immer Abschiedsblumen. Im März musste sich Anke Rehlinger vom kühnen Traum trennen, SPD-Ministerpräsidentin im Saarland zu werden, und nun Torsten Albig von der Vorstellung, Landeschef in Schleswig-Holstein zu bleiben. Nach der SPD-Pleite im nördlichsten Bundesland hat die FDP gestern eine Ampel-Koalition SPD-Grüne-Liberale unter Albig ausgeschlossen. „Auch heute morgen sind wir nicht fröhlich“, sagte Schulz vor der Blumenübergabe. Als er von der Bühne geht, klopft ihm Sigmar Gabriel tröstend auf die Schulter. Ausgerechnet.

Man muss diese Bilder übereinander legen mit jenen vom Parteitag im März, als Schulz unter lautem Gejohle und mit 100 Prozent ins SPD-Spitzenamt gehievt wurde. Das gab es nicht einmal unter Willy Brandt. In der Euphorie steckte auch Dankbarkeit darüber, dass der wankelmütige Gabriel den Platz an der Parteispitze freigemacht hatte.

Katerstimmung in SPD

Nun, als kantiger Außenminister, steigen Gabriels Beliebtheitswerte. Und der Schulz-Effekt wird als Schulz-Defekt verspottet. Zwar liegt die SPD bundesweit schlechtenfalls bei 28 Prozent, also noch immer deutlich besser als unter Gabriel. Es gab 16.000 Neueintritte in die Partei. An der Basis mobilisiert Schulz. Aber die CDU ist auf 35, 36 Prozent enteilt und der Schlachtplan durchkreuzt: Er sah vor, dass Schulz vom Aufwind durch Siege bei zwei, vielleicht gar allen drei Landtagswahlen im Herbst ins Kanzleramt getragen wird. Zumindest Schleswig-Holstein war fix eingeplant. Die CDU hätte sich dann wohl über den rechten Kurs zerstritten, vor allem wären die Kameras auf Schulz gerichtet geblieben.

(C) DiePresse

Es kam anders. Gestern zum Beispiel. Schulz hielt seine erste wirtschaftspolitische Grundsatzrede vor Unternehmern im Ludwig-Erhard-Haus. Er pries darin den gleichnamigen Vater der sozialen Marktwirtschaft und späteren CDU-Kanzler, der „sich heute vielleicht bei der SPD wohler fühlen würde“. Schulz lobte auch Helmut Kohl und Agenda-Macher Gerhard Schröder, er warnte vor Technikfeindlichkeit und gab den ehemaligen Buchhändler, der die Sorgen eines Unternehmers kenne. Es ging wohl auch darum, der Wirtschaft die Angst zu nehmen, er könnte ein allzu linker Kanzler sein. Mit ihm würde es weder „unerfüllbare Sozialversprechen noch unerfüllbare Steuersenkungsversprechen“ geben, sagte Schulz. Bei den unteren und mittleren Einkommen müsse man zwar etwas machen. Sonst: Schwerpunkt „Investitionen“.

Es ist eine seiner wichtigeren Reden. Aber die TV-Anstalten schalten nach der Einleitung weg und ins Konrad-Adenauer-Haus, wo Kanzlerin Angela Merkel lächelte, genauso wie Daniel Günther, der wegen seiner Unbekanntheit verspottete CDU-Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein und möglicherweise künftige Ministerpräsident einer Jamaika-Koalition, auch wenn sich die Grünen noch zieren. Merkel (und auch Günther) bekamen gute Noten von den Wählern im Norden. Die Kanzlerin hält den Ball flach: „Eine Landtagswahl ist eine Landtagswahl“, sagt sie immer wieder. Es gibt keine Häme für Schulz. Darum kümmert sich Günther: Es habe einen „Merkel-Effekt“ im Norden gegeben, sagt er.

Stimmungstest in NRW

Zuallererst ging es aber um Landesthemen und Kandidaten, um Windräder, Autobahnen, Schulen. SPD-intern gilt daher Albig als Sündenbock. Der Ministerpräsident der Dänen-Ampel hatte in der Bunten seine gescheiterte Ehe ausgebreitet und dabei ein veraltetes Frauenbild durchklingen lassen.

Zum ersten Mal in Merkels zwölf Kanzlerjahren dürfte die CDU nun ein Ministerpräsidentenamt zurückerobern. Zuletzt gelang das Jürgen Rüttgers 2005 in Nordrhein-Westfalen, also dort, wo jeder fünfte Deutsche (und Martin Schulz) lebt und am Sonntag gewählt wird. Die Werte der SPD unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zogen im Sog der Schulz-Euphorie an. Danach ging es wieder bergab. Es könnte knapp werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2017)

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