Fall Zogaj heizt Bleiberechts-Debatte neu an

ARIGONA ZOGAJ
ARIGONA ZOGAJ(c) APA (Robert Jaeger)
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Seit April ist die Reform des humanitären Aufenthalts in Kraft. Die Hoffnung von Menschenrechtlern, dass dadurch gut integrierte Asylwerber bleiben dürfen, wurde enttäuscht. Sie sprechen von einer "Zogaj-Hürde".

Der Fall Arigona Zogaj erhitzt seit gestern wieder die Gemüter in Österreich. Die 17-jährige Kosovarin hat am Donnerstag einen negativen Asylbescheid erhalten. Nun wird auch die grundsätzliche Kritik am österreichischen Bleiberecht wieder laut, wie das "Ö1-Morgenjournal" am Freitag berichtete.

Die Reform des humanitären Aufenthalts ist seit April in Kraft. Menschenrechtler haben gehofft, dass dadurch mehrere Tausend seit längerem in Österreich lebende Asylwerber bleiben dürfen. Diese Hoffnung sei aber enttäuscht worden, sagte Philipp Sonderegger von SOS Mitmensch. Der Grund seien Fallstricke im Gesetz.

"Zogaj-Hürde im Gesetz"

Die SP-Landtagsabgeordnete und Sprecherin der oberösterreichischen Plattform für gut integrierte Asylwerber, Gertraud Jahn, spricht von einer "Zogaj-Hürde". Demnach können nur Personen einen humanitären Aufenthalt bekommen, die überwiegend rechtmäßig im Land waren. Als rechtmäßig gilt nur die Wartezeit auf Asylentscheidungen, nicht aber die Wartezeit auf humanitäres Bleiberecht oder die Verschiebung einer Abschiebung. Diese Hürde sei wohl extra in das Gesetz aufgenommen worden, damit die Familie Zogaj nicht bleiben könne, sagte Jahn. Dem stimmt auch der Betreuer der Familie, Christian Schörkhuber von der Volkshilfe Oberösterreich, zu.

Eine weitere Hürde im Gesetz sei die nötige Selbsterhaltungsfähigkeit. Eine Einstellzusage genüge nicht, die Menschen würden aber vor der Aufenthaltsbewilligung keine Arbeitsbewilligung erhalten. Innenministeriumssprecher Rudolf Gollia meinte dazu, der Zugang zum Arbeitsmarkt werde durch das neue Asylrecht erleichtert. Zum Fall Zogaj betonte er, die Familie sei nie rechtmäßig im Land gewesen.

Selbstmordgefahr kein Asylgrund

Zwischen 72 und 96 Seiten haben die vier Bescheide, die der Familie Zogaj am Donnerstag zugesendet wurden. Die Begründung für die drohende Abschiebung: Es gebe keine Asylgründe. Es existiere aber keine andere Möglichkeit, gesundheitliche Gründe geltend zu machen, als Asyl zu beantragen, erklärte Schörkhuber das Dilemma der Familie.

Das Asylamt vertrete die Auffassung, dass Suizidgefahr kein Grund sei, nicht abzuschieben, so der Betreuer der Familie. Auch werde der Gesundheitszustand von Arigona und Nurie Zogaj von offizieller Seite als "nicht so dramatisch" eingestuft, dass eine Behandlung im Kosovo nicht möglich wäre. Es gebe dort eine entsprechende Gesundheitsversorgung und Medikamente, werde argumentiert.

Bereits ein "theoretischer" Zugang zu medizinischen Einrichtungen sei demnach ausreichend, um jemanden abschieben zu können, so Schörkhuber. Die gebe es im Kosovo zwar prinzipiell, "dass dort aber ein Therapeut auf 50.000 Traumatisierte kommt, spielt keine Rolle". Auch die Frage, wer für die Kosten der medizinischen Versorgung aufkomme, müsse vor einer Abschiebung nicht geklärt werden.

Mayer für humanitäres Bleiberecht

Verfassungsexperte Heinz Mayer sagte am Freitag, dass der negative Asylbescheid "wahrscheinlich rechtlich in Ordnung" sei. Er sprach sich aber für ein humanitäres Bleiberecht aus. Wie etwa 100 andere Asylwerber seien die Zogajs "deshalb so lange hier, weil wir nicht in der Lage sind, in vernünftiger Zeit die Verfahren abzuwickeln. Gerade dann sollte man großzügig sein."

(Red.)

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