Eine von Innenministerin Fekter eingeführte Regelung (ab 2010) sieht vor, dass das "humanitäre Bleiberecht" nur dann bewilligt wird, wenn Asylwerber die Hälfte der Aufenthaltszeit legal in Österreich verbracht haben.
WIEN. Die Chronologie ist hinlänglich bekannt: Zuerst kommt Vater Zogaj aus dem Kosovo nach Österreich, es ist das Jahr 2001. Sein Asylantrag scheitert, die Familie holt er 2002 dennoch nach. In den folgenden Jahren werden mehrere Ansuchen der Zogajs um eine Niederlassungsbewilligung von allen Instanzen abgelehnt. Am Donnerstag dieser Woche wird der vorläufig letzte Akt publik: Der in Österreich verbliebene Rest der Familie bekommt neuerlich einen negativen Bescheid zugestellt. Betroffen sind Arigona Zogaj, ihre Mutter und die beiden jüngeren Geschwister. Der Vater ist mittlerweile untergetaucht. Acht Jahre sind vergangen.
Es ist eine unendliche Geschichte – oder jedenfalls eine Geschichte ohne Happy End. Wie aber würde sie ausgehen, wenn die Familie erst am 1. Jänner 2010 einreiste? „Das Verfahren würde deutlich schneller abgewickelt sein“, sagt Rudolf Gollia, Sprecher des Innenministeriums, zur „Presse“. Und zwar aus mehreren Gründen.
Erstens: Mitte 2008 wurde ein eigener Asylgerichtshof geschaffen. Seither können negative Bescheide nicht mehr beim Verwaltungsgerichtshof beeinsprucht werden, was eine Beschleunigung der Verfahren mit sich bringt. Das gilt auch für Punkt zwei: Das Personal im Bundesasylamt wurde seit 2006 massiv aufgestockt. Und drittens: Mit 1. Jänner 2010 tritt eine Novelle in Kraft, die das Fremdenrecht in Österreich deutlich verschärft. Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) bezweckt damit „raschere Entscheidungen“ und sagt „dem Missbrauch den Kampf an“.
Suizidgefahr ist kein Grund
Der entscheidende Punkt in diesem Zusammenhang: Folgeanträge – also jene Ansuchen, die dazu dienen, eine Abschiebung mittels eines neuen Antrags zumindest zu verzögern – werden zwar weiterhin zugelassen. Das Bundesasylamt hat jedoch die Möglichkeit, die aufschiebende Wirkung aufzuheben, wenn der Asylgerichtshof als zweite Instanz zustimmt.
Wie schnell Familie Zogaj unter den neuen Umständen um ihr Schicksal wüsste, getraut sich Gollia nicht zu sagen. Aber: Acht Jahre würde es bestimmt nicht dauern.
Die Realität der Zogajs sieht jedenfalls anders aus – der rechtliche Spielraum ist ausgereizt: Es besteht kein Asylgrund, und auch die subsidiäre Schutzbedürftigkeit wegen angeblicher Suizidgefahr wird vom Bundesasylamt bestritten.
„Asyl hat mit psychischer Krankheit nichts zu tun“, erklärt auch Gerhard Muzak, Asylrechtsexperte an der Uni Wien. Verfassungsrechtler Heinz Mayer hält den negativen Asylbescheid deshalb „wahrscheinlich“ für „rechtlich in Ordnung“.
Für den „subsidiären Schutz“ allerdings könnte erhöhte Suizidgefahr durchaus relevant sein, meint Muzak. Nämlich etwa dann, „wenn die Krankheit im Herkunftsland nicht behandelt werden kann“. Laut Bescheid ist dies aber nicht so: Die medizinische Versorgung im Kosovo sei gewährleistet. Außerdem, so die Behörde, bestehe laut Gutachten und entgegen der Einschätzung der Zogaj-Betreuer „keine akute Selbstmordgefährdung“.
Bleibt also nur noch die Anwendung des humanitären Bleiberechts, wie sie Verfassungsexperte Mayer gestern forderte. Die ist aber offenbar ebenfalls nicht möglich: Die Zogajs müssten dafür mindestens 50 Prozent ihrer Aufenthaltszeit legal in Österreich verbracht haben. Und das ist nicht der Fall.
Klare Worte fand am Samstag auch Kanzler Werner Faymann im „Kurier“: Wer nach negativen Verfahren immer wieder neue Anträge stelle, müsse „mit einer klaren Reaktion des Rechtsstaates rechnen“. Kardinal Christoph Schönborn meint hingegen, es würde „dem Land keinen Schaden zufügen“, sollte die Familie Zogaj bleiben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2009)