Antrag abgelehnt: Zogaj droht Abschiebung

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Die 17-jährige Kosovarin erhielt am Donnerstag einen negativen Asylbescheid. Ihre Chancen in der Berufung stehen schlecht. Vorerst darf sie aber in Österreich bleiben.

Wien. Kein Asyl, keine „subsidiäre Schutzberechtigkeit“, Abschiebung aus Österreich: Diese drei Punkte beinhaltete der Bescheid des Bundesasylamts, der am Donnerstag der 17-jährigen Kosovarin Arigona Zogaj zugestellt wurde. Vom Bescheid betroffen sind auch die ebenfalls in Oberösterreich wohnende Mutter und zwei jüngere Geschwister von Arigona.

Der letzte Akt im langjährigen juristischen Streit – die Zogajs waren 2002 ins Land gekommen – ist aber auch dieser Bescheid nicht. Das Innenministerium bestätigte, dass die Zogajs berufen können, dieser Beschwerde komme aufschiebende Wirkung zu. Familienanwalt Helmut Blum kündigte bereits an, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Daher werden die vier Familienmitglieder bis auf Weiteres in Österreich bleiben dürfen.

Ihr Schicksal liegt nun in den Händen des Asylgerichtshofs. Aber auch dort sei die Chance auf Asyl für Kosovaren „sehr gering“, meint Gerhard Muzak, Asylrechtsexperte an der Uni Wien. Im Kosovo habe man in der Regel keine Verfolgung zu befürchten. Kaum Chancen hat auch der Antrag darauf, als „subsidiär schutzberechtigt“ eingestuft zu werden. Unter diesen Begriff fallen Personen, denen trotz fehlenden Asylgrunds nicht zugemutet werden kann, in das Heimatland zurückzukehren.

„Größere Chancen“ sieht Muzak noch in einem dritten vom Asylgerichtshof zu prüfenden Punkt: Die Abschiebung könnte mit Blick auf Artikel acht der Menschenrechtskonvention (Achtung des Privat- und Familienlebens) unzulässig sein. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Zogajs seit sieben Jahren im Land sind und Arigona minderjährig ist. Als Gegenargument ist aber ins Treffen zu führen, dass die Zogajs sich lange illegal in Österreich aufgehalten haben.

„Menschenrechtlich spannend“

Der Asylgerichtshof muss unter Abwägung all dieser Umstände eine Entscheidung treffen. „Das ist eine menschenrechtlich spannende Frage“, meint der auf Asylrecht spezialisierte Anwalt Georg Bürstmayr. Vor allem bei Arigona gebe es intensive Bindungen zu Österreich. Kollege Wilfried Embacher betont aber, dass es nur „ganz wenige Fälle“ gebe, wo ein humanitäres Bleiberecht nach einer Ausweisung noch ausgesprochen werde. Die Experten sind sich auch allesamt einig, dass die rechtliche Situation für die Zogajs sehr schwierig sei.

Das Verfahren vor dem Asylgerichtshof wird mehrere Monate dauern. Scheitern die Kosovaren dort, könnten sie sich noch an den Verfassungsgerichtshof wenden. Ob diese (relativ aussichtslose) Beschwerde aufschiebende Wirkung hat, müsste das Höchstgericht vorab selbst entscheiden. Kommt der Asylgerichtshof hingegen zu dem Schluss, dass die Abschiebung aufgrund der privaten Bindungen unzulässig ist, wäre im Anschluss der oberösterreichische Landeshauptmann verpflichtet, ein Aufenthaltsrecht zu erteilen. Am Donnerstag ließ Josef Pühringer (ÖVP) zunächst einmal Vorsicht walten: Er vertraue darauf, dass die zuständigen Stellen eine gerechte Entscheidung treffen. „Die Dramatik ist, dass der Bescheid nach sieben Jahren kommt“, kritisierte der Landeshauptmann.

Sein Stellvertreter von der SPÖ, Josef Ackerl, teilt diese Meinung nicht: Es sei „nicht richtig, solche Entscheidungen zu treffen, um einen Teil der Bevölkerung zu bedienen“. Familien, die bereits länger in Oberösterreich lebten und auch gut integriert seien, sollten nicht abgeschoben werden, forderte Ackerl: „Ich bin dafür, dass man einen Schlussstrich zieht.“

Doch Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) denkt nicht daran, für ein bekanntes Gesicht wie Arigona Zogaj eine Ausnahme zu machen, wie ein Ministeriumssprecher am Donnerstag der „Presse“ erklärte: Die Ministerin habe die Rechtsordnung zu vollziehen, und so etwas wie eine Pardonierung sei darin eben nicht vorgesehen: „Es muss gleiches Recht für alle gelten.“

Die Spitzen des Koalitionspartners – von Werner Faymann abwärts – wollten sich zu den neuen Entwicklungen nicht äußern: Kein Kommentar zu einem laufenden Verfahren, verlautete aus der SPÖ.

In Kärnten regte sich Widerstand. Der Bund Sozialdemokratischer Akademiker Klagenfurt bemühte einen gewagten Vergleich und forderte Fekter zum Rücktritt auf: „Das ganze ständige Kesseltreiben rund um Arigona Zogaj“ erinnere „an die menschenverachtenden Praktiken des NS-Regimes an der jüdischen Bevölkerung“. Die ÖVP protestierte in Person von Seniorenchef Andreas Khol: Er erwarte einen Ordnungsruf vom Kanzler und eine Entschuldigung bei Fekter. Der Vergleich sei „völlig unangemessen“. Zustimmung erhielt die Ministerin von FPÖ und BZÖ. Die Grünen hingegen sind empört.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2009)

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