Steueroasen sollen jetzt endgültig ausgetrocknet werden. Österreich sieht sich hier als Vorreiter und verlangt noch schärfere Maßnahmen gegen Konzern-Steuertricks.
Wien. Geredet ist darüber schon viel worden, jetzt sollen aber auch Taten folgen: Gestern, Mittwoch, wurde in Paris ein völkerrechtlicher Vertrag unterzeichnet, in dessen Rahmen sich mehr als 60 Länder, darunter Österreich, verpflichten, Steuerschlupflöcher für international tätige Konzerne zu schließen.
Hintergrund ist die so genannte BEPS-Initiative (BEPS steht für Base Erosion and Profit Shifting) der OECD und der G20. Die dort vereinbarten Regeln gegen (derzeit legale) Steuervermeidung sollen durch diesen völkerrechtlichen Vertrag in den diversen Doppelbesteuerungsabkommen umgesetzt werden.
Derzeit ermöglichen die unterschiedlichen nationalen Regelungen großen Konzernen, ihre steuerpflichtigen Gewinne dort hinzu verschieben, wo sie nur gering belastet werden, in Extremfällen sogar überhaupt keine Steuern zahlen. Vor allem große US-Unternehmen, aber auch europäische Konzerne schaffen es damit, in manchen Ländern nur sehr wenig Steuern zu bezahlen, obwohl sie dort umfangreiche Geschäfte machen.
Österreich sieht sich durchaus als Vorreiter im Kampf gegen internationale Steuergestaltung, wie Finanzminister Hans Jörg Schelling gestern vor Journalisten in Wien sagte. Eine Reihe von Maßnahmen, über die international diskutiert wird, seien hierzulande schon in der Umsetzungsphase.
Etwa das Abzugsverbot für Zinsen und Lizenzen innerhalb des Konzerns (eine beliebte Methode der Gewinnverschiebung in Niedrigsteuerländer) oder der „Country by Country Report“, der der Finanzverwaltung bei Multis ein besseres Bild der weltweiten Verteilung der Konzernerträge bietet.
Task Force gegen Multi-Tricks
Zudem habe man eine „Task Force Offshore“ eingerichtet, die effizientere Prüfungsmaßnahmen für international tätige Konzerne ermögliche.
Das Problem ist ja nicht so klein: EU-Parlamentarier Othmar Karas (ÖVP) bezifferte den Steuerentgang der EU-Staaten durch Hinterziehung und Umgehung mit 1000 Mrd. Euro. Warum gehen die EU-Länder nicht längst härter gegen solche Praktiken vor? Das Einstimmigkeitsprinzip in der EU verursache hier „gewisse Herausforderungen'“, meinte Karas. Schließlich gebe es Steueroasen nicht nur auf entlegenen Inseln, sondern auch „mitten in der EU“.
An die EU haben die Österreicher in Sachen Verhinderung der Steuervermeidung noch einige Wünsche. So sollten etwa Doppelbesteuerungsabkommen mit Niedrigsteuerländern nicht mehr bilateral, sondern im Rahmen eines gemeinsamen EU-Musterabkommens abgeschlossen werden. In diesem Rahmen solle dann von der derzeit üblichen „Befreiungsmethode“ (ein Staat verzichtet zur Gänze auf sein Besteuerungsrecht) auf die „Anrechnungsmethode“ (Österreich würde die Steuer weiter erheben, aber die niedrigere ausländische Steuer anrechnen) umgestellt werden. Das würde den Anreiz, Aktivitäten in Niedrigsteuerländer zu verlagern, deutlich verringern.
Als sinnvoll sieht Schelling auch die Schaffung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer (nicht aber eine Angleichung der Steuersätze) an. Der grenzüberschreitende Austausch von Umsatzsteuerdaten solle intensiviert werden. Zudem sollte im Versandhandel aus Drittstaaten bereits der erste Euro mehrwertsteuerpflichtig sein. Derzeit wird Mehrwertsteuer erst ab einem Warenwert von 22 Euro erhoben, was einen „beträchtlichen Anreiz für falsche Wertangaben“ biete. Allein dadurch verlieren die EU-Länder an die 500 Mio. Euro im Jahr.
Schelling fühlt sich unterstützt
„Extrem unterstützt“ fühlt sich Schelling durch die (derzeit freilich noch reichlich unkonkreten) Pläne des neuen ÖVP-Chefs Sebastian Kurz zu umfangreichen Steuersenkungen. Schließlich habe er selbst als erster festgestellt, dass Österreich kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem habe. „Ich werde mit meiner Expertise einen Beitrag dazu leisten“, sagte er, auf die Kurz-Pläne angesprochen. (ju)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2017)