Österreichische Lieferanten könnten infolge von Absprachen nicht zum Zug gekommen sein, sagte der heimische Wettbewerbsbehörden-Chef Thanner.
Die deutschen Autobauer Daimler, BМW, Audi, Porsche und VW sollen seit den 90ern illegale Absprachen getroffen haben. Laut BWB-Chef Theodor Thanner ist es "sicher das größte Kartell in Europa", wenn nicht sogar weltweit in den letzten Jahrzehnten. Noch gelte aber die Unschuldsvermutung. Sollte die EU-Kommission Geldbußen verhängen, drohen den Konzernen Strafen von bis zu 50 Milliarden Euro.
Neben den Verbrauchern könnten auch österreichische Zulieferer von den illegalen Absprachen betroffen sein, so Thanner am Dienstag zur APA. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) wolle daher rasch Klarheit schaffen. "Jeder zweite BMW fährt mit österreichischem Motor", merkte Thanner an und betonte die hohe Bedeutung des Automobilsektors. Die Branche erwirtschaftete zuletzt einen Jahresumsatz von 43 Milliarden Euro.
Es wäre zum Beispiel möglich, dass sich die fünf verdächtigen Autobauer ausgemacht hätten, eine neue Technologie nicht einzusetzen, so Thanner. Dadurch könnten österreichische Lieferanten nicht zum Zug gekommen sein.
Sollten sich die Anschuldigungen als wahr herausstellen, drohten den Autoherstellern hohe Geldbußen: EU-Strafen können bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen - die fünf verdächtigen Konzerne verbuchten 2016 Erlöse von rund 546 Milliarden Euro. In diesem Fall wären theoretisch also bis zu 50 Milliarden Euro fällig.
Wobei Daimler womöglich mit einem blauen Auge davon kommen könnte. Der Stuttgarter Autokonzern zeigte mögliche Wettbewerbsverstöße Industriekreisen zufolge als Erste bei den Behörden an. Volkswagen folgte demnach erst später.
Daimler mit besseren Karten als VW
Auf die Frage der Nachrichtenagentur Reuters, wer von den beiden Autobauern sich als Erster angezeigt habe, antwortete eine Person mit Kenntnis der Beratungen am Dienstag: "Die Daimlers." Weder Volkswagen noch Daimler äußerten sich dazu. Das deutsche Bundeskartellamt lehnte einen Kommentar ab. Die Frage, wer als Erster über die Ziellinie ging, ist wichtig für die Höhe einer möglichen Kartellstrafe. Kronzeugen gehen in der Regel straffrei aus.
Ausgangspunkt für die Selbstanzeige von Volkswagen waren dem Insider zufolge Durchsuchungen des Bundeskartellamts wegen eines Stahlkartells vor gut einem Jahr. Daraufhin habe man sich auch andere Dinge angeschaut. Als klar geworden sei, dass bestimmte Verhaltensweisen unter Wettbewerbsgesichtspunkten grenzwertig sein könnten, habe sich VW entschieden, dies gegenüber den Behörden offenzulegen.
Damit müsste sich Volkswagen im Falle einer Kartellstrafe womöglich mit einem geringeren Strafnachlass als Daimler begnügen. Denn nach den EU-Bestimmungen wäre für VW allenfalls ein Abschlag von maximal 50 Prozent möglich, während Daimler als Kronzeuge straffrei davonkommen könnte. Voraussetzung dafür, dass VW einen Nachlass bekomme, sei allerdings, dass die Wolfsburger zusätzlich zu den von Daimler vorgelegten Unterlagen weitere "Beweismittel mit erheblichem Mehrwert" eingereicht habe, berichtete die "Süddeutsche Zeitung". Für beide Konzerne wie auch für den Münchner Hersteller BMW, der ebenfalls Teil eines Kartells gewesen sein soll, geht es um sehr viel Geld.
Die EU-Kommission hatte 2016 gegen vier Lkw-Hersteller Geldstrafen in Höhe von knapp 3 Mrd. Euro verhängt. Auf Daimler entfiel damals mit rund einer Milliarde der größte Brocken. Dem Zeitungsbericht zufolge soll Daimler bereits von 2011 an, als das Lkw-Kartell aufgeflogen war, seine Geschäftspolitik nach und nach geändert
(APA/Reuters)