Schelling zu Juncker-Vorstoß: "Zweiter Fall Griechenland darf nicht passieren"

Hans Jörg Schelling
Hans Jörg SchellingDie Presse (Clemens Fabry)
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Für den österreichischen Finanzminister ist es noch ein „langer Weg“ zur Erweiterung der Eurozone für alle EU-Staaten. Auch Schäuble äußerte sich skeptisch.

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat sich skeptisch zum Vorschlag von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einer Erweiterung der Eurozone für alle EU-Staaten gezeigt. Dies sei noch ein "langer Weg". Jedenfalls dürfe "ein zweiter Fall Griechenland nicht passieren". Schelling erklärte Freitag vor Beginn der informellen Eurogruppe im estnischen Tallinn, man brauche sich aber auch nicht vor einem zweiten Fall Griechenland fürchten. Es gebe ein klares Reglement. "Alle Länder, die der EU beigetreten sind, haben in ihren Verträgen beinhaltet, dass sie auch Mitglied der Eurozone werden sollen, sobald sie die Kriterien erfüllen". Nachdem "mit zwei Ausnahmen - Schweden und Tschechien - derzeit niemand die Kriterien erfüllt, gibt es auch keinen Beitritt zur Eurozone. Wir als Finanzminister werden klarerweise darüber wachen, ob die Konvergenzkriterien nachhaltig erfüllt sind", betonte Schelling.

Befragt, ob es zu früh ist, dass Juncker bei der Erweiterung der Eurozone so aufs Tempo drückt, sagte der Minister, es sei zwar "richtig, das Zeitfenster zu nutzen. Aber die Spielregeln sind einzuhalten". Solange dies nicht der Fall sei, könne man die Diskussion nicht führen.

Auf ein Vorbeitrittsinstrument angesprochen sagte der Minister, dass dies ja jetzt schon geschehe. "Man hat schon verschiedene Fördermaßnahmen mit Zielgebieten, um die Länder sehr rasch entsprechend wirtschaftlich aufzurüsten". Aber "die Historie zeigt, wie lange das dauert. Das ist ein langer Weg. Wenn man speziell Deutschland betrachtet, bis ein reiches Land wie Deutschland die Integration der ehemaligen DDR verarbeitet hat". Natürlich "wollen wir ein wirtschafts- und währungspolitisch starkes Europa haben. Aber dazu sind Kriterien zu erfüllen. Es muss eine bestimmte Heterogenität geben", sonst komme es zu einem Auseinanderdriften, warnte Schelling.

Schäuble: Euro darf nicht europäische Einigung spalten

Auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sich skeptisch über den Vorschlag von Juncker über eine Erweiterung der Eurozone geäußert. Die Währungsunion dürfe nicht die europäische Einigung spalten, so Schäuble. Und weiter: „Juncker ist ein bisschen missverstanden worden. Er hat gesagt, für die Mitgliedschaft sind ökonomische Voraussetzungen erforderlich, die man erfüllen muss. Solange das nicht der Fall ist, ist es nicht im Interesse der Mitgliedstaaten, Mitglied der Eurozone zu werden. Das kann auch die Eurozone nicht machen, sonst könnte die Stabilität der Währungsunion gesamt gefährdet werden. Darüber werden wir intensiv beraten."

Die Währungsunion sei der "Kern der europäischen Einigung, aber zugleich haben wir den Binnenmarkt, eine Regelung für alle 27", nahm Schäuble den Austritt der Briten vorweg. "Deshalb haben wir schon in den rückliegenden Jahren immer Wert darauf gelegt, dass die Währungsunion die europäische Einigung nicht spaltet." Bei Griechenland habe man vor eineinhalb Jahrzehnten gesehen, wie problematisch es ist, wenn die Kriterien nicht eingehalten werden.

Auch Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hat sich gegen einen "Zwang für eine höhere Geschwindigkeit" bei der Erweiterung der Währungsunion ausgesprochen. Auf die Frage, ob EU-Kommissionspräsident Juncker ein hoffnungsloser Romantiker sei, wenn er die Erweiterung wolle, sagte Dijsselbloem, er würde das "nie sagen".

Juncker verteidigt Vorschlag

EU-Kommissionspräsident Juncker hat unterdessen sinen Vorschlag zur Ausweitung der Eurozone verteidigt. Alle EU-Staaten sollten die Möglichkeit haben, den Euro einzuführen, und wer ihn noch nicht habe, sollte Hilfen bekommen, bekräftigte Juncker am Donnerstag in einem Youtube-Interview.Er wundere sich über manche Kritik in Deutschland, fügte er hinzu. "Ich habe nicht die Absicht, Länder in den Euro zu zwingen, die nicht in den Euro können oder nicht in den Euro wollen." Die Gemeinschaftswährung könnten Länder nur einführen, wenn sie die Beitrittsbedingungen erfüllten.

Auch müsse die Wirtschaft so aufgestellt sein, dass sie den Euro-Schock verwinden könne. Denn die Staaten der Währungsunion seien strengen Regeln unterworfen. "Und manchen Ländern ist es erkennbar noch zu heiß in der Euro-Küche", sagte Juncker.

(APA)

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