Patienten in Pflegeheim gequält: Zwei Festnahmen

Archivbild: Das Pflegeheim in Kirchstetten
Archivbild: Das Pflegeheim in Kirchstetten Clemens Fabry / Die Presse
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Weil zwei der im Fall Kirchstetten Beschuldigten wieder im Pflegebereich tätig waren, wurden sie wegen Tatbegehungsgefahr festgenommen.

In dem seit Oktober 2016 laufenden Ermittlungsverfahren gegen fünf ehemalige Pflegekräfte eines Pflegeheims in Kirchstetten (Bezirk St. Pölten-Land) sind am Mittwoch zwei Festnahmen erfolgt. Es habe Tatbegehungsgefahr bestanden, sagte der St. Pöltner Staatsanwalt Karl Wurzer. Die Einvernahmen waren am Nachmittag im Gang.

Der Anklagebehörde sei bekannt geworden, dass zwei der Beschuldigten, die in Kirchstetten Patienten gequält haben sollen, wieder im Pflegebereich tätig gewesen seien. Daher sei die Festnahme angeordnet und Mittwochmittag vollzogen worden, teilte Wurzer mit.

Die in dem Fall in Niederösterreich Tatverdächtigen seien im selben Wiener Pflegeheim beschäftigt gewesen, sagte der Sprecher. Sie hätten dabei - nach ihrer Entlassung in Kirchstetten im Oktober 2016 - wieder als Pfleger für alte, demente und pflegebedürftige Menschen gearbeitet, weshalb Tatbegehungsgefahr bestanden habe.

Nach Prüfung der Verantwortung der beiden Festgenommenen werde die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob U-Haft beantragt wird, so Wurzer. Das werde vermutlich am Donnerstag der Fall sein.

Am Dienstag hatte die Anklagebehörde zu dem laufenden Ermittlungsverfahren gegen die fünf ehemaligen Pflegekräfte in Kirchstetten mitgeteilt, dass die Beschuldigten nicht geständig seien. Sie würden die ihnen vorgeworfenen Tathandlungen bestreiten und Verleumdung geltend machen.

Sachverständiger beauftragt

Das Quintett stehe im Verdacht, im Rahmen der pflegerischen Tätigkeit Heimbewohner gequält und vernachlässigt und strafbare Handlungen gegen deren sexuelle Integrität und Selbstbestimmungen begangen zu haben, sagte Leopold Bien von der Staatsanwaltschaft. "Im Rahmen umfangreicher Ermittlungen wurden und werden zahlreiche Personen als Zeugen vernommen." Die Erhebungen seien "noch nicht abgeschlossen".

"Zur weiteren Abklärung der Tatvorwürfe wurde auch ein gerichtsmedizinischer Sachverständiger damit beauftragt, die Heimbewohner zu begutachten und allfällige Gesundheitsschädigungen als Folgen der Taten festzustellen." Die Ermittlungen hätten - auch nach Rücksprache mit dem Gutachter - bisher "keinerlei Hinweise auf vorsätzliche oder fahrlässige Tötungsdelikte zum Nachteil von Heimbewohnern" ergeben, teilte Bien ebenfalls mit. Ermittelt werde nach Paragraf 92 StGB (Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen), aber auch nach Paragraf 205 (Sexueller Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person).

Der Fall in Kirchstetten war am 18. Oktober 2016 durch die "ZiB2" des ORF öffentlich geworden. Der "Falter" zitierte in seiner am Dienstag erschienenen Ausgabe aus Polizeiberichten und Einvernahmeprotokollen von Pflegerinnen und Pflegern. Außerdem berichtete die Wiener Stadtzeitung, dass der Hauptbeschuldigte "bis gestern (Montag, Anm.) allerdings weiter in einem privaten Heim als Pfleger" gearbeitet habe, "weil es aufgrund einer gesetzlichen Lücke kein Berufsverbot für Pfleger gibt". Der Mann sei freigestellt worden, als die Heimleitung durch den "Falter" von den gegen ihn erhobenen massiven Vorwürfen erfahren habe, schrieb das Blatt.

(APA)

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