Pflegeskandal: Enthaftungen und Diskussion über Berufsverbote

Archivbild: Pflegeheim in Kirchstetten
Archivbild: Pflegeheim in KirchstettenClemens Fabry / Die Presse
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Zwei Verdächtige, die in den Pflegeskandal von Kirchstetten verwickelt sein sollen, wurden nach ihren Befragungen gegen Gelöbnis auf freien Fuß gesetzt.

In der Causa Pflegeheim in Kirchstetten (Bezirk St. Pölten-Land) sind am Donnerstag zwei am Tag zuvor festgenommene Verdächtige einvernommen und anschließend enthaftet worden. Der Mann und die Frau mussten geloben, bis zum Ende des Verfahrens nicht mehr im Pflegebereich tätig zu sein. Das teilte Franz Cutka, Präsident des Landesgerichts St. Pölten, mit.

Unterdessen ist eine Diskussion darüber ausgebrochen, wie es zu verhindern wäre, dass Pfleger trotz schwerer Vorwürfe gegen sie weiter ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen können. "Derzeit ist es so, dass die Staatsanwaltschaft nur dann jemanden vom Verdacht eines Vergehens verständigen darf, wenn sie dazu gesetzlich ermächtigt ist", erklärte Christian Pilnacek, der Leiter der Sektion Strafrecht im Justizministerium, im Ö1-Morgenjournal. Und diese gesetzliche Grundlage fehle in diesem Fall.

Der Strafrechtsexperte ortete Handlungsbedarf: "Es würde der Absicherung dienen, dass sich derartiges nicht wiederholt." Pilnacek sprach sich für vorübergehende Berufsverbote und Verständigungspflicht aus, wenn in derart gravierenden Fällen ermittelt wird - ähnlich wie es das etwa bei Ärzten bereits gibt. Für eine entsprechende Gesetzesänderung sprach sich auch Patienten- und Pflegeanwalt Gerald Bachinger aus.

Festnahmen wegen Tatbegehungsgefahr

Über den Inhalt der Befragung der Verdächtigen wurden von Cutka keine Angaben gemacht. Die Festnahmen waren am Mittwoch wegen Tatbegehungsgefahr erfolgt, nachdem bekannt geworden war, dass beide nach ihrer Entlassung im Vorjahr wieder in einem Wiener Pflegeheim gearbeitet haben. Seit Oktober 2016 laufen Ermittlungen gegen fünf ehemalige Pflegekräfte der Einrichtung in Niederösterreich. Sie stehen im Verdacht, Patienten gequält und vernachlässigt und strafbare Handlungen gegen deren sexuelle Integrität und Selbstbestimmung begangen zu haben.

Wie lange die Ermittlungen noch dauern, sei nicht abzuschätzen, verwies Staatsanwalt Leopold Bien auf das ausständige Gutachten eines Gerichtsmediziners. Dieser war beauftragt worden, die Pflegebefohlenen zu begutachten und allfällige Gesundheitsschädigungen als Folgen der Taten festzustellen. Eine neue Dimension hatte der Fall in dieser Woche nach Veröffentlichung von Polizeiberichten und Einvernahmeprotokollen in der Zeitschrift "Falter" bekommen.

Sprechtag der Wiener Heimkommission

Die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz hat inzwischen einen Sprechtag der Wiener Heimkommission in jenem Wiener Pflegeheim anberaumt, in dem zwei der Misshandlung von Pflegebedürftigen beschuldigte Pfleger nach ihrer Entlassung aus dem Heim in Kirchstetten gearbeitet haben. Es sei "inakzeptabel", dass diese trotz der Verdachtslage dort beschäftigt wurden, so Pilz.

"Wer Mitarbeiter einstellt, führt üblicherweise ein ausführliches Aufnahmegespräch und macht sich ein Bild über den bisherigen Werdegang und die Motivation des Bewerbers", sagte Pilz. Entweder seien seitens der Verantwortlichen des Wiener Heims "diese Minimalstandards nicht eingehalten oder noch schlimmer, trotz bekannter Verdachtslage die Pflegepersonen beschäftigt" worden, kritisierte sie.

Der Anwalt der Beschuldigten sagte am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal, dass die Leitung des Wiener Pflegeheims von den laufenden Ermittlungen gewusst habe. Laut dem Chef des Fonds Soziales Wien (FSW), Peter Hacker, wird derzeit untersucht, ob das Heim über die Vorwürfe informiert war und wenn ja, welche "Maßnahmen und begleitenden Maßnahmen gesetzt worden sind".

(APA)

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